TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Integration ist keine Einbahnstraße“, von Wolfgang Sablatnig

Ausgabe vom Mittwoch, 9. September 2020

Innsbruck (OTS) Die Zahlen des aktuellen Integrationsberichts belegen, dass Österreich längst ein Einwanderungsland geworden ist. Sie zeigen auch auf, wo die Probleme liegen. Die konkreten Antworten bleibt Ministerin Raab aber schuldig.

Der Sager von Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) ist knackig, nach dem Geschmack der türkisen Strategen: „Wir wollen kein Chinatown oder Little Italy.“ Auf Wien gemünzt müsste sie den Yppenplatz im bunten Ottakring meinen – oder sitzt sie dort selber gern in einem der In-Lokale?
Raab unterstreicht mit dem Sager ihre Ablehnung von Parallelgesellschaften. Und tatsächlich zeigt der Integrationsbericht, den sie gestern präsentierte, Trends auf, die Besorgnis erregend sind: Viele Zuwanderer – vor allem Asylwerber – haben den Einstieg in den Arbeitsmarkt noch nicht geschafft. Vor allem Frauen sind markant weniger erwerbstätig als im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung.
Das Bildungssystem hat es ebenfalls nicht geschafft, den Menschen aus Zuwandererfamilien Chancengleichheit zu bieten. Zwei Drittel scheitern mit 14 Jahren zumindest teilweise an den Bildungsstandards in Lesen und Mathematik.
Jeder und jede Vierte in Österreich hat Migrationshintergrund. In Wien ist es bald jeder Zweite. Es ist kein Zufall, dass die Parteien im Wiener Wahlkampf Migration und Zuwanderung wieder ausgepackt haben. Vor allem rechts der politischen Mitte – von der ÖVP bis hin zur FPÖ und der neuen Strache-Liste – wollen die Parteien damit punkten: keine Parallelgesellschaften, kein „Klein Istanbul“, kein „Bagdad-Town“.
Es ist unabdingbar, den liberalen Rechtsstaat zu predigen. Stärkung von Frauen: ja, aber konkret! Werte: unbedingt! Ehrenamtliches Engagement und Vereine: natürlich! Bloß sind es aber vor allem ländliche Regionen, in denen so der Kitt der Gesellschaft hergestellt wird. Viele Zuwanderer leben aber in der Stadt. Wir dürfen auf die Vorschläge des Expertenbeirats gespannt sein, der hier ansetzen soll. Raab lässt aber eines vermissen: den Respekt und die Achtung vor dem, was die Zuwanderer mitbringen. Da ist nicht die Unterordnung der Frauen gemeint. Aber etwa die Sprache: Es ist ein großes Plus, wenn jemand eine zweite Sprache kann, sei es türkisch, bosnisch oder arabisch.
Integration ist keine Einbahnstraße, sie kann die Aufnahmegesellschaft auch bereichern und fordert nicht nur die Zuwanderer heraus.
Zur Beruhigung sei aber hinzugefügt: Manches, vor dem Raab warnt, gibt es schon: „Klein Ankara“ etwa, an jedem Kebab-Stand, auch in Tirol. Und die größte Gruppe der Zugewanderten sind noch immer die Deutschen.

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