TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Donnerstag, 6. Juli 2017, von Christian Jentsch: „Westliche Weltordnung liegt in Trümmern“

Innsbruck (OTS) - Vor dem G20-Gipfel in Hamburg ist die Unsicherheit groß, die Welt scheint aus den Fugen zu geraten. Die USA verabschieden sich als Vorreiter, Europa will keine Verantwortung übernehmen und China reibt sich die Hände.

Kommenden Freitag und Samstag kommen die großen Weltenlenker wieder einmal zusammen – diesmal beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der G20-Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenländer in Hamburg. Und die Welt ist in Unruhe, die globalen Kräfteverhältnisse verschieben sich, das Fundament der etablierten Weltordnung ist ins Wanken geraten.
Die USA nehmen sich unter ihrem neuen US-Präsidenten Donald Trump, der mit der Abrissbirne durch das Weltgeschehen poltert, selbst aus dem Spiel. Der US-Präsident schickt sich an, die von den USA selbst errichtete liberale westliche Weltordnung aus den Angeln zu heben. Mit seinem Leitspruch „America first“ stößt er den Verbündeten vor den Kopf, schwört dem Multilateralismus ab, sagt dem Freihandel den Kampf an und kündigte den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen an. Darüber hinaus gefällt er sich als Zündler am Golf, ein Krieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran liegt in der Luft, die Katar-Krise ist da nur ein bitterer Vorgeschmack.
Die USA sind draußen. Ein in seinem Amt offensichtlich überforderter Präsident, der sich mit einem Prügelvideo brüstet, kann und will die wirtschaftliche und militärische Supermacht USA nicht für neue Herausforderungen rüsten. Da sind ihm Hunderte Milliarden US-Dollar schwere Rüstungsdeals mit gelinde gesagt zweifelhaften neuen Freunden näher. Die USA hinterlassen ein Vakuum. Nun wäre es an Europa, die Fahnen der freien westlich-demokratischen Welt hochzuhalten. Doch weit gefehlt. Zwar versucht die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zusammen mit dem neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron – der Galionsfigur einer neuen politischen Mitte – der EU wieder Hoffnung und Selbsbewusstein einzuimpfen. Doch die Fliehkräfte innerhalb der Union sind ungemein stark und innereuropäische Solidarität scheint gerade in der Flüchtlingsproblematik weiterhin ein Fremdwort zu sein. Da kocht jeder lieber sein eigenes Süppchen und hofft auf den vermeintlichen kurzfristigen Vorteil.
Aber es gibt natürlich auch Gewinner der neuen Unordnung. China kann sich angesichts der US-amerikanischen Chaos-Politik genussvoll die Hände reiben und sich als Klimaretter und Verfechter des Freihandels präsentieren. Auch wenn Peking gerade vor seiner Haustüre alles andere als eine vertrauenswürdige Politik betreibt. Die alte Welt liegt in Trümmern. Doch eine gemeinsame neue ist nicht gewollt.

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