TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Donnerstag, 31. Jänner 2019, von Christian Jentsch: „Verfangen im Irrgarten der Utopie“

Innsbruck (OTS) - Der Traumwelt des Brexit droht – je näher der Austrittstermin Großbritanniens aus der Europäischen Union rückt – ein böses Erwachen. All die Versprechungen könnten wie eine Seifenblase platzen.

Sicher, das British Empire drückte der Welt einst seinen Stempel auf. Politisch, sprachlich und kulturell ist das einst weltumspannende britische Weltreich bis heute präsent. Aber: Das Empire ist Geschichte, Großbritannien spielt im Weltentheater immer noch eine Rolle, aber es führt längst nicht mehr Regie. Und im globalen Wettkampf zwischen den USA, der aufstrebenden Weltmacht China und Europa droht es als Einzelkämpfer zwischen den Machtblöcken aufgerieben zu werden. Großbritannien ist alleine künftig ziemlich klein. Das ist keine gewagte Ansicht über die Zukunft Großbritanniens, das sagt schlicht der Hausverstand.
Und trotzdem stimmte am 23. Juni 2016 eine Mehrheit der Briten in einem – auf Grund von politischen Winkelzügen der britischen Konservativen ersonnenen – Referendum für einen Austritt aus der EU. Wobei man nicht vergessen darf, dass die Mehrheit mit 52 Prozent denkbar knapp ausfiel und sowohl in Schottland als auch in London sich eine klare Mehrheit für einen Verbleib in der EU aussprach. Doch Mehrheit bleibt Mehrheit. Wobei sicher die wenigsten Brexit-Befürworter im Juni 2016 wussten, wohin die Reise eigentlich gehen soll, welche Konsequenzen zu erwarten sind, was der Brexit schlussendlich bedeutet. Von den Brexit-Marktschreiern wurde dem Volk ein Utopia vorgegaukelt, in dem alle – vor allem auch die selbst gemachten – Probleme sich in Luft auflösen werden und die Briten wieder Weltmacht sein dürfen. Losgelassen von der Kette der EU würden sich in aller Welt Tür und Tor für die Briten öffnen, hieß es. Jene, die das geeinte Europa tagtäglich als Teufel an die Welt malten, konnten triumphiere­n. Auch wenn sie offensichtlich wenig Ahnung davon hatten, was nun eigentlich kommen soll. Nach anfänglicher Skepsis stimmte auch die konservative Premierministerin Theresa May in den Lobgesang der Brexit-Utopisten ein. In einer Grundsatzrede erklärte sie, dass ihr Land nach dem Brexit ein „globaler Führer des Freihandels“ werden wolle. „Global Britain“ hieß die Devise. Wie dies in einer Welt von Trumps „America First“ und einem immer forscher auftretenden China gelingen soll, bleibt freilich ein Rätsel. Wie so vieles andere auch. Eines ist jedenfalls offensichtlich: Je näher der Austrittstermin Großbritannien­s rückt, desto mehr verliert sich die britische Regierung und auch das britische Parlament im Irrgarten des Brexit. Bezahlen wird die Rechnung das Volk. Jenes Volk, dem ein Utopia vorgegaukelt wurde. Das sollte nicht nur den Briten eine Lehre sein.

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