TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Dienstag, 23. Mai 2017, von Peter Nindler: „Alles ist so kompliziert einfach“

Innsbruck (OTS) Nicht nur Verwaltungsverfahren dauern in Österreich eine gefühlte Ewigkeit. Die Ermittlungen nach der Bundespräsi-denten-Stichwahl werden ebenfalls zum Zeitkrimi. Weil es so kompliziert ist oder schlichtweg das Personal fehlt?

Zu Recht kritisieren die Landeshauptleute zu lange Verwaltungsverfahren im Umweltrecht. Schließlich ziehen sich manche über Jahre. Alleine der Skigebiets-Zusammenschluss von Kappl und St. Anton liegt schon seit mehr als einem Jahr beim Bundesverwaltungsgericht. Die Rechtfertigung dafür klingt stets einfach: Die Verfahren sind komplex, für die Sachfragen benötigt es zusätzliche Gutachter und letztlich muss die Entscheidung sorgfältig überlegt werden. Alles hehre Argumente, doch der Faktor Zeit wird geflissentlich außer Acht gelassen. Natürlich geht Rechtssicherheit vor Zeit, allerdings kostet die auch einiges Geld. Manchmal fehlt den Verwaltungsgerichten aber schlichtweg das Personal, weshalb die kritisierende Politik eigentlich zur handelnden werden müsste. Ähnlich verhält es sich in der Justiz: Wie geht es jemandem, der sich seit einem Jahr mit dem Verdacht herumschlagen muss, bei der aufgehobenen Bundespräsidenten-Stichwahl vielleicht Amtsmissbrauch begangen zu haben? Die Zeit nagt, die Ungewissheit belastet. Das alles ist zutiefst menschlich; egal, ob ein Fehler gemacht wurde oder nicht. Bereits 2014 kritisierte der Bundesrechnungshof, dass die Ermittlungsverfahren in Österreich zu lange dauern. Die Stellungnahme des Justizministeriums war einmal mehr selbstredend: Natürlich wurden vielschichtige Sachverhalte ins Treffen geführt.
Irgendwie ist die Situation rund um die ins Visier der Korruptionsstaatsanwaltschaft geratenen Wahlbeisitzer einigermaßen skurril. Der Bundespräsidenten-Wahlmarathon mit den vielen Pannen wurde längst abgehakt und die nächsten Bundeswahlen stehen am 15. Oktober bereits bevor. Aber die betroffenen Mitglieder der Wahlkommissionen vom Vorjahr wissen heute noch nicht, ob sie angeklagt oder die Verfahren eingestellt werden. Die Begründung? Erraten! Komplexe Verfahren.
Einvernahme, Bewertung, Vorhabens- und Abschlussbericht:
Eigentlich dürften sich die Staatsbürger schon erwarten, dass die Justiz generell zügig agiert. So hingegen wird die legendäre Aussage des ehemaligen Bundeskanzlers Fred Sinowatz, alles sei so kompliziert, zum geflügelten Wort. Auch im Rechtssystem. Vielleicht ist alles gar nicht so vertrackt, sondern gleichsam zutiefst menschlich: Schließlich tut sich eben die Korruptionsstaatsanwaltschaft seit Jahren schwer, die vorhandenen Planstellen zu besetzen.
Deshalb könnte „unterbesetzt statt schwierig“ eine einfache, wenngleich laienhafte Erklärung für die Verfahrensdauer sein.

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