TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Dienstag, 16. Februar 2021, von Peter Nindler: „Dilettantisch, naiv und schikanös“

Innsbruck (OTS) Bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie mit der aufgepoppten südafrikanischen Virus-Variante in Tirol gibt es nichts schönzureden. Doch die Politik beweist wieder einmal, wie sie Tag für Tag Vertrauen bei den Menschen verspielt.

Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar. Versteckenspiele, Dilettantismus, Duckmäusertum und Bösartigkeit sind es hingegen nicht. Allerdings gewinnt derzeit dieses Potpourri bei der Eindämmung der südafrikanischen Coronavirus-Variante in Tirol die Oberhand. Innsbruck, München, Berlin und Wien sind die geographischen Hotspots für eine nicht mehr nachvollziehbare Politik. Wobei es eine logische Konsequenz aus der innerösterreichischen Reisewarnung ist, dass Bayern das angrenzende Tirol als „Virusvariantengebiet“ abgeriegelt hat. Dass Tiroler bei der Ausreise in ein anderes Bundesland einen negativen Corona-Test vorweisen müssen, macht freilich Sinn. Das trifft auch auf die gezielten Tests zu, die wie beim Friseur jedoch verpflichtend sein müssten.
Was freilich verstört, sind die nicht mehr faktenbasierten Entscheidungen und Schikanen infolge der Grenzschließung. Wenn Grenzpendler von ihren Arbeitsplätzen in Bayern weggesperrt werden und die Durchreise über das Kleine und Große Deutsche Eck nach Salzburg einfach unterbunden wird, dann hat das nichts mehr mit legitimen gesundheitspolitischen Vorsichtsmaßnahmen zu tun. Das ist schlicht Willkür, die von der Politik in München und Berlin ausgeheckt wurde. Selbst die EU-Kommission protestiert gegen die überschießende deutsche Vorgangsweise, den Berufspendlern Prügel zwischen die Beine zu werfen. Doch während der Pandemie ist es zur nationalstaatlichen Tugend geworden, auf Brüssel und die europäische Solidarität zu pfeifen.
Andererseits offenbaren die Testpflicht fürs Skifahren und die stümperhafte Verordnung des Landes einmal mehr die Hilflosigkeit eines überforderten Gesundheitsminis­ters, der die Skigebiete eigentlich zusperren wollte, sowie die politische Naivität in der Tiroler Landespolitik. Hält Gesundheitsminis­ter Rudolf Anschober (Grüne) Skifahren für eine große Corona-Ansteckungsquelle, hätte er es wie in Italien schon von Anfang an stoppen müssen. Da gibt es kein Wenn und Aber. Mit der Testpflicht kommt das Aus jetzt durch die Hintertür. Die Seilbahner, die den Skibetrieb vorwiegend für die Einheimischen hochgefahren haben, können das weder administrieren noch verantworten.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (VP) hält sich bewusst im Hintergrund. Sein Image „als Krisenmanager“ ist nämlich angekratzt, deshalb will er mit der zuletzt hochgeschaukelten Baustelle Tirol so wenig wie möglich persönlich zu tun haben. Er sitzt erste Reihe fußfrei und schaut zu, wie sich andere die Finger in Berlin und München verbrennen.

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