TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Das Schweigen der Regierung“, von Michael Sprenger

Ausgabe vom 19. Juli 2018

Innsbruck (OTS) FPÖ-General Vilimsky attackiert den EU-Kommissionspräsidenten, er greift das Staatsoberhaupt an. Und die schwarz-blaue Regierung schweigt zu alledem. Ein Schwächesignal einer Koalition, die glaubt, alles im Griff zu haben.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat Recht, wenn er sagt:
„Es wäre für die Opposition an der Zeit, ihre Rolle zu finden. Denn es ist nicht die Aufgabe des Bundespräsidenten, diese Lücke auszufüllen.“ Das Staatsoberhaupt hätte noch hinzufügen können, dass es auch für die Regierung an der Zeit wäre, Flagge zu zeigen, wenn zwischen den Koalitionsparteien etwas im Argen liegt. Denn es ist nicht zwingend seine Aufgabe, darauf hinweisen zu müssen.
Doch weder hat die Opposition ihre Rolle gefunden, noch hat irgendwer auf der Regierungsbank den Mut, das Schweigen zu brechen, wo klare Aussagen angebracht wären. Also musste Van der Bellen sagen, was zu sagen ist. Bei den verbalen Ausritten des Generalsekretärs der Regierungspartei FPÖ war dies notwendig.
Seit knapp zwei Wochen hat Österreich den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft inne. Das Bemühen der Regierung, dieser Präsidentschaft einen positiven Stempel aufzudrücken, droht jetzt schon zu scheitern. Und die Regierung schweigt.
Harald Vilimskys Rücktrittsaufforderungen gegenüber EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sind dabei an Niedertracht kaum zu überbieten – und einer Regierungspartei unwürdig. Vilimsky echauffierte sich darüber, dass ein torkelnder Juncker die EU als Lachnummer preisgibt. Anstatt sich zu entschuldigen, nachdem sich Juncker erklärt hatte, reagierte Vilimsky weiter mit Häme. Und die Regierung schweigt.
Damit man es nicht vergisst: In seiner Funktion als Leiter der FPÖ-Delegation im Europaparlament hat Vilimsky seine Heimat in der Fraktion der rechtsnationalen und rechtspopulistischen Parteien. Also jener Klub, der mit der Europäischen Union nicht viel am Hut hat und wo man so gerne der Renationalisierung Europas das Wort redet. Da kann es bei den zuletzt siegestrunkenen Nationalisten schon vorkommen, die Gläser zu erheben, um mit den zuvor dutzendweise bestellten, und regelwidrig abgerechneten, Champagnerflaschen auf die Krise der EU anzustoßen.
Der Bundespräsident füllte die Lücken notwendigerweise aus. Und was macht die FPÖ? Sie schickt Vilimsky aus, damit dieser nun auch das Staatsoberhaupt attackieren kann. Auf unerhörte und unflätige Weise.
Die Regierung schweigt. Wenn die Koalition so stabil ist, wie ÖVP und FPÖ vorgeben, bedeutet ein klares Wort keinen Mut. Wer weiß, vielleicht ist das Schweigen Ausdruck von Instabilität.

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