TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Ausgabe vom Mittwoch, 1. Februar 2023, von Gabriele Starck: „So a bisserl korrupt, ja mei“

Innsbruck (OTS) Hundertprozentig korrektes Verhalten wurde früher in Österreich eher belächelt als bewundert. Doch das Verständnis für Freunderlwirtschaft sinkt und das Bewusstsein für das, was richtig ist, steigt – den Politik-Skandalen sei Dank.

Eine Einladung zum Mittagessen, ein Theaterbesuch, eine Eintrittskarte zum Fußball-Spiel. All das muss nicht, aber kann – wenn nicht selbst bezahlt – bereits in die Korruptionsfalle führen. Sagt einem doch die innere Stimme, sich in der ein oder anderen Weise erkenntlich zeigen zu müssen. Eine gleichrangige Gegeneinladung – kein Problem. Freundschaftsdienste, die zu Begünstigungen oder Informationsvorteilen führen, sehr wohl.
Korrektheit mag in Österreich als spröde und ungemütlich empfunden werden. Mehr davon wäre für das Land und sein Image aber wertvoll: im Großen wie im Kleinen. Österreich ist im Korruptionsindex 2022 von Transparency International ein weiteres Mal abgerutscht. Das ist nicht überraschend angesichts des vergangenen Jahres: Chatverläufe, die Freunderlwirtschaft in all ihren Facetten boten; finanzielle Unterstützungen für jene, die sie nicht benötigt haben oder gar nicht hätten bekommen dürfen und nicht zuletzt die Zögerlichkeit der aktuellen, aber auch der vergangenen Regierungen, dem Filz mit längst überfälligen Gesetzen Einhalt zu gebieten.
All das ist eine tief sitzende Ursache für die Politikverdrossenheit der BürgerInnen, die von Regierenden allerdings gern ignoriert wird. Das jetzt verschärfte Korruptionsstrafrecht allein wird das Vertrauen nicht wieder herstellen. Das kann nur Transparenz. Das „Amtsgeheimnis“ ist vielen Amtsträgern aber nach wie vor eine heilige Kuh, die sie nicht opfern wollen. Das verstärkt Misstrauen.
Der Korruptionsindex ist für Österreich beschämend. Doch was inzwischen an die Oberfläche gespült und diskutiert wird, ist auch ein ermutigendes Zeichen dafür, dass sich etwas zum Guten ändert – im Kleinen wie im Großen: Das Bewusstsein für das, was rechtschaffen und was unredlich ist, steigt.
Das ist umso wichtiger, als Korruption längst nicht an den Grenzen haltmacht. Der Skandal um Europaabgeordnete, die für Geld die Interessen des Emirats Katar vertreten haben sollen statt jener Europas, ist ein aktuelles Beispiel. Und wer glaubt noch, dass ehemalige Bundeskanzler oder Ministerinnen jedweder Couleur – heißen sie nun Gerhard Schröder, Wolfgang Schüssel oder Karin Kneissl – einst wegen herausragender Qualitäten als Wirtschaftsmanager in staatsnahe russische Konzerne berufen wurden? Es ging um ihre Kontakte und ihr Ansehen in der Heimat, die sich Russland zunutze machen wollte.
Eine wachsende Sensibilität gegenüber Bestechung, Nepotismus und Gegen­leistungen schützt daher nicht nur die Interessen des Einzelnen, sondern die Wirtschaft und die Werte von ganz Europa.

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