Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 7. Mai 2021. Von KARIN LEITNER. „Politiker sollten keinen Richter brauchen“.

Innsbruck (OTS) Jeder Bürger hat das Urteil eines Gerichts zu befolgen. Dass einem Regierungsmitglied der Spruch eines Höchstgerichts egal ist, gar der Bundespräsident aktiv werden muss, ist unglaublich.

Gernot Blümel wird in die Annalen eingehen. Nicht mit grandioser Politik, sondern mit ungebührlichem Verhalten als Regierungsmitglied.

Aufgefallen ist der Türkise bis dato durch Fehler bei der Budgeterstellung, Erinnerungslücken, einen Beschuldigtenstatus – und die Aussage, seine Frau habe nicht nur das Kind, sondern auch einen Laptop spazierengeführt.
Nun hat der Finanzminister für etwas gesorgt, das es in der Geschichte der Zweiten Republik noch nicht gegeben hat. Das Verfassungsgericht hat den Bundespräsidenten beauftragt, im von Blümel geführten Ressort zu exekutieren. Es geht um Unterlagen für den parlamentarischen Ibiza-Ausschuss, in dem mutmaßliche Käuflichkeit der vormaligen schwarz-blauen Regierung untersucht wird. Und der wird für die ÖVP stetig unangenehmer.
Schon am 3. März haben die Höchstrichter verfügt, dass die von den Oppositionellen beantragten Daten dem politischen Prüfgremium zu liefern sind. Blümel ignorierte die Vorgabe der obersten Instanz in Verfassungsfragen.
Dass es so weit kommt, dass ein Minister nicht tut, was er zu tun hat, dass Richter dafür nötig sind, ist schlimm genug. Dass Blümel selbst deren Spruch egal ist, somit das Staatsoberhaupt angerufen werden muss, ist unglaublich.
Des Finanzministers Verhalten reiht sich ein in das von Parteikollegen gegenüber der Justiz und dem Parlament: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wurde getadelt, Razzien bei Behörden sollten erschwert, von der Wahrheitspflicht in einem U-Ausschuss sollte gelassen werden. Auch der Kanzler musste vom Höchstgericht aufgefordert werden, den Mandataren E-Mails und Chats vorzulegen, die relevant für den Untersuchungsgegenstand sind.
Zu all dem hat sich Alexander Van der Bellen öffentlich nicht geäußert. Ob der jetzigen Causa kam er aber nicht umhin, etwas zu sagen. Das eine war gütlich in Richtung der türkisen Regierenden:
Blümel habe ihm kürzlich versichert, den Abgeordneten das Verlangte zu reichen. Ergo werde er wohl nicht zum Exekutor werden müssen. Der Präsident fügte aber etwas an, das auch für Blümel & Co unmissverständlich sein sollte: Es gebe klare Regeln. Und an diese hätten sich alle zu halten. Nicht um irgendwelche geht es; es geht um oberste Gebote, solche, die von der Verfassung vorgegeben sind. Ein Staatsoberhaupt sollte nicht auf diese zu verweisen haben. Selbstverständlich sollte das sein. Erst recht für Minister der Republik.

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