Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 7. Juni 2017. Von FLOO WEISSMANN. „Die Angst der Autokraten“.

Innsbruck (OTS) - Saudi-Arabien, Ägypten und andere wollen das eigenwillige Katar mit einem Boykott unter Kontrolle bringen. Dabei geht es wohl weniger um Terrorismus als um den Machterhalt der Regime in Riad und Kairo.

Der neue US-Präsident Donald Trump hat nun offenbar die erste Quittung für die Schwarz-Weiß-Politik erhalten, die er auf seiner Nahost-Reise vor zwei Wochen vertreten hatte. Er hofierte die Saudis, die ihm den besten „Deal“ geboten hatten, und rehabilitierte sie als Amerikas wichtigsten Verbündeten am Persischen Golf. Zugleich erklärte er allein den Iran zur Wurzel allen Übels.
Das solcherart aufgewertete saudische Herrscherhaus fühlte sich nun ermutigt, seine Interessen gegen den Nachbarn Katar durchzusetzen – auch wenn dieser die größte US-Basis in der Region beherbergt. Die Saudis organisierten einen diplomatischen und wirtschaftlichen Boykott, der das Emirat unter Kontrolle bringen soll.
Die Begründung, Katar unterstütze den Terrorismus, dürfte dabei größtenteils vorgeschoben und für die Adressaten im Westen gedacht sein. Dass Islamisten und Extremisten aller Art über Sponsoren am Persischen Golf verfügen, ist nicht neu und trifft u. a. auch Saudi-Arabien selbst.
Bei dem Boykott dürfte es vielmehr um Machterhalt gehen. Katar unterstützt die Muslimbrüder, eine revolutionäre Bewegung. Und es betreibt den Sender Al-Jasira, der die Politik des Emirs reflektiert. Über die Muslimbrüder und den Satellitenkanal verfügt Katar über einen Draht zur arabischen Straße, und das empfinden die Autokraten in Riad und Kairo als Bedrohung.
Dazu kommt, dass Katar sich traditionell nach allen Seiten offen zeigt. Kontakte bestehen zu Islamisten wie zu Israelis, zu den USA wie zum Iran, mit dem sich das Emirat ein Erdgasfeld teilt. Selbst die Taliban unterhalten in Doha ein Verbindungsbüro. Katar könnte eine Schlüsselrolle als Vermittler zukommen. Aber das ist nicht die Weltsicht, auf die sich Trump und die Saudis verständigt haben. Riad verteidigt mit zunehmender Aggressivität – und jetzt auch US-Duldung – seinen Anspruch als alleiniger Regionalzampano und sieht sich dabei von Teheran herausgefordert. Dass der Emir von Katar den Iran eine „regionale und islamische Macht“ genannt haben soll, galt – wiewohl faktisch richtig – als Verrat.
Die Spannungen zwischen den arabischen Herrschern reichen teils Jahre zurück. Doch der Boykott von Katar bedeutet eine brisante Zuspitzung – mit möglichen Konsequenzen über die Region hinaus. Die neue US-Regierung hat diese Entwicklung mutmaßlich mitbefördert; nun wird sie alle Mühe haben, ihre Verbündeten zur Ordnung zu rufen. Dass Trump sich über Twitter schon klar auf die Seite der Saudis geschlagen hat, erschwert seinen Diplomaten die Arbeit.

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