Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 6. März 2020. Von CHRISTIAN JENTSCH. „Die Vampire im syrischen Gemetzel“.

Innsbruck (OTS) Der syrische Bürgerkrieg wurde rasch zum Schlachtfeld der verfeindeten Regional- und Großmächte. Diese laben sich seit neun Jahren an der syrischen Tragödie und manifestieren das kolossale Scheitern der Weltgemeinschaft.

Seit neun Jahren tobt in Syrien ein Krieg, der an Grausamkeit und Zynismus kaum zu überbieten ist. Ein Krieg, der aus einer anderen Zeit zu sein scheint – wenn Krankenhäuser und Schulen bombardiert werden, wenn Kinder zum Abschuss freigegeben werden, wenn Dörfer, Städte und ganze Landstriche verwüstet werden. Aber der Krieg in Syrien ist nicht aus einer anderen Zeit und er ist nicht fern von unseren Wohnzimmern – die Bilder von Flüchtlingsmassen an der EU-Außengrenze in Griechenland lassen grüßen. Was Anfang 2011 als lokaler Protest gegen das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad im Zuge des Arabischen Frühlings angefangen hatte, mutierte bald zum blutigen Schlachtfeld der Regional- und Großmächte. Die syrische Apokalypse ist längst kein Krieg der Syrer mehr, er wurde und wird von außen befeuert – und das augenscheinlich so lange, bis es nichts mehr zu zerstören oder töten gibt. Die Vampire und Blutsauger haben sich in Syrien eingerichtet. Sie ernähren sich von der syrischen Tragödie, um ihre Macht auszuweiten. Und wer zwischen vermeintlich gut und böse unterscheiden will, stößt rasch an seine Grenzen.
Die syrischen Regierungstruppen haben – unterstützt von russischen Luftschlägen – mit ihrer Offensive in der Rebellenhochburg Idlib Hunderttausende Menschen in die Flucht geschlagen und eine humanitäre Katastrophe ausgelöst. Auf der anderen Seite steht die Türkei, die Panzer und Truppen über die Grenze nach Syrien geschickt hat und als NATO-Mitglied in Idlib die Al-Kaida-nahe radikalislamistische Miliz Haiat Tahrir Al-Scham tatkräftig unterstützt. Zur Erinnerung:
Al-Kaida war für die Terroranschläge von 9/11 verantwortlich. Und trotz der gestern Abend von Kremlchef Putin und dem türkischen Präsidenten Erdogan verkündeten Waffenruhe wird der Konflikt weitergehen. Auch in den Kurdengebieten im Norden Syriens ist die Türkei einmarschiert – übrigens mit Duldung Moskaus. Und auch der Westen räumte dort eilig das Feld. So zogen die USA ihre Truppen aus Nordsyrien ab. Dass die Kurdenmilizen die Speerspitze im Kampf gegen das Terror-Monster IS waren, wurde rasch unter den Teppich gekehrt. Doch es geht nicht nur um Russland und den Iran auf der einen und die Türkei auf der anderen Seite. Bei den Planspielen zum Sturz Assads haben auch andere ihre Hände mit Blut befleckt. Aus den Golfstaaten kamen Spenden für radikale Islamisten, die Syrien wohl kaum in eine bessere Zukunft geführt hätten. Und auch der Westen spielt ein undurchschaubares Spiel. In Syrien tobt der Krieg der Vampire. Und die Weltgemeinschaft schaut zu.

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