Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 5. Mai 2017. Von PETER NINDLER. „Der ewige Patient“.

Innsbruck (OTS) Das Land ist bei einer gerechten Spitalsfinanzierung säumig, aber auch die Bürgermeister verhindern durch ihre seit Jahren praktizierte medizinische Kirchturmpolitik Reformen. Wer mit angezogener Handbremse agiert, produziert Reformstau.

Ob historisch gewachsen oder nicht: Die Spitalsfinanzierung in Tirol gehört längst reformiert, denn ein gerechter Ausgleich zwischen allen öffentlichen Krankenanstalten findet nicht statt. Warum 33 Gemeinden des Bezirkskrankenhausverbandes Lienz den vollen Abgang ihres Spitals von zwei Millionen Euro tragen müssen, für Zams dieser jedoch mit 400.000 Euro gedeckelt ist und die tirol kliniken naturgemäß aus dem Landesbudget finanziert werden, versteht niemand. Es wäre aber zu einfach, nur die Landesregierung in die Pflicht zu nehmen. Mitverantwortlich für diese unbefriedigende Situation sind die mächtigen Bürgermeister.
Sie wollen weiter in ihren Krankenhäusern mitreden und nicht auf politischen Einfluss verzichten; obwohl die Führung eines komplexen und kostenintensiven Gesundheitsbetriebs wohl nicht zu den Kernaufgaben eines Dorfchefs zählt. Die Realität sieht leider anders aus: Die Kommunalpolitiker klammern sich an ihre medizinischen Kirchtürme und schreien auf, wenn sie klamm sind. Mehr Geld vom Land, egal ob landesweite Holdinglösung oder engere Abstimmung unter den Spitälern, bedeutet zwangsläufig weniger Einfluss. Und vier Geburtenstationen im Umkreis von 70 Kilometern wird es sich dann nicht mehr spielen. Derzeit schon, weil die Bürgermeister eben darauf bestehen. Koste es, was es wolle.
Wie krank unser Gesundheitssystem insgesamt ist, zeigt die Fieberkurve bei der Verrechnung von inländischen Gastpatienten. 8,5 Monate beträgt die Wartefrist, bis das Geld über die Sozialversicherungen und den Gesundheitsfonds an die einzelnen Spitäler überwiesen wird. 60,6 Millionen Euro an Ausgaben werden dadurch zeitversetzt abgegolten und zwischenzeitlich die Betriebsergebnisse der ohnehin unter Kostendruck stehenden Spitäler massiv belastet. In Zeiten von Informationstechnologie und Datentransfers bremsen hier wohl die Eigeninteressen der involvierten Institutionen. Der Beamtenstaat und die
k. u. k. Monarchie lassen im Jahr 2017 grüßen. Außerdem überlagert der Zielkonflikt über die Kompetenzen im Gesundheitsbereich zwischen Bund und Ländern den anhaltenden Reformstau. Der im verwandten Pflegebereich ebenfalls sichtbar wird.
Zu wenig Geld, zu wenig gut ausgebildete Pflegekräfte, zu wenig Kontrolle und zu wenig politische Sensibilität für eine tickende soziale und gesellschaftliche Zeitbombe: Spitalsfinanzierung und teils Missstände in Alten- und Pflegeheimen halten der Politik deshalb mehr denn je den Reformspiegel vor.

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