Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 4. November 2022. Von MICHAEL SPRENGER. „Herrn Schmids gesammeltes Schweigen“.

Innsbruck (OTS) Nach seinem Geständnis vor der Ermittlungsbehörde präsentierte Thomas Schmid vor dem U-Ausschuss sein vollumfängliches Schweigen. Die ÖVP kann dies als Etappensieg verbuchen. Aber Schmid hat anderes im Sinn.

Die Aufregung war eine große. Thomas Schmid war bereit, nach seinem umfangreichen Geständnis vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft auch vor dem ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss zu erscheinen. Lange Zeit hatte er sich einer Ladung aufgrund seines Aufenthalts im Ausland entzogen.
Begleitet von Blitzgewitter erschien der Mann, der indirekt zum Sturz von Sebastian Kurz beigetragen hatte. Sein beschlagnahmtes Handy dokumentierte ein unsägliches Sittenbild über den neuen Stil, der mit Kurz etabliert wurde. Doch kaum nahm Schmid als Auskunftsperson Platz, wurde klar, dass er zu seinen und den Machenschaften seiner früheren politischen Familienmitglieder den Parlamentariern nichts sagen würde. Drei Stunden dauerte das gesammelte Schweigen des Herrn Schmid. Er ignorierte die Anträge von Beugestrafen, berief sich auf Anraten seines Anwaltes auf sein Aussageverweigerungsrecht.
Warum wählte er diesen Schritt? Es stimmt, gegen ihn wird ermittelt. Aber er hat sich mit seinem Geständnis vor der Ermittlungsbehörde selbst umfangreich belastet. Er will den Kronzeugenstatus, um nicht das Bauernopfer für Kurz und dessen Freunde zu sein. So sein Motiv. Also hätte er doch im Ausschuss wiederholen können, was er auch den Ermittlern gesagt hatte. Er hätte auch nur zu jenen Sachverhalten befragt werden dürfen, die den Abgeordneten bekannt sind. Dies wollte zwar die ÖVP verhindern, aber eine kurzfristige Klage des Justizministeriums beim Verfassungsgerichtshof hatte dies untersagt. Um die Ermittlungen nicht zu behindern, wie es argumentierte.
Trotzdem schwieg Schmid. Sein Auftritt wurde zur Farce. Sehr zur Freude der ÖVP. Sie wurde zuvor nicht müde, ihn als Lügner darzustellen, der seine Haut retten will. Denn anders als vor dem U-Ausschuss ist ein Beschuldigter vor der Ermittlungsbehörde nicht zur Wahrheit verpflichtet. Schmid ein Lügner? Zumindest was sein Geständnis anlangt, ist das schwer zu glauben. Schmid muss, um Kronzeuge zu werden, zuvorderst auspacken, sich selbst belasten und Sachverhalte liefern, welche den Ermittlern noch nicht bekannt gewesen sind.
Wenn Schmid also die Ermittler täuscht, bereitet er für sich nichts weniger als seine Haftstrafe vor. Schmid nützte also den gestrigen Auftritt nicht für eine Imagekorrektur. Er ist aber nicht blöd. Ihm geht es einzig und allein darum, nicht seine bürgerliche Existenz aufs Spiel zu setzen. Dafür ist ihm nur die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft wichtig. Deshalb schwieg er vor dem U-Ausschuss. Und wird wohl vor der Ermittlungsbehörde weiter auspacken.

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