Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 28. März 2017. Von ANITA HEUBACHER. „Von Jörg Haider bis zu den NEOS“.

Innsbruck (OTS) Seit 30 Jahren wird in Österreich über eine Fusion der Krankenversicherungen geredet. Mehr als fällig ist die Harmo-nisierung der Leistungen. Derzeit ist die Behandlung von Beamten, Bauern, Eisenbahnern lukrativer als die des Angestellten.

In dem Fall dient die nicht vorhandene Transparenz dem Wohle des Patienten. Sonst könnte der nur Gift und Galle spucken. Im Wartezimmer, beim Kostenersatz für Heilbehelfe von der Brille bis zur Zahnspange, beim Impfen und bei der Mammographie sind nicht alle Patienten gleich viel wert. Für die Behandlung eines Angestellten bekommt der praktische Arzt 13,74 Euro. Lukrativer ist da schon, wenn es ein Selbstständiger, ein Eisenbahner oder ein Beamter ist, den die Grippe plagt. Da sind es 20 Euro.
Österreich, wie es leibt und lebt und wo seit Jahrzehnten die Klientelpolitik den Sachverstand schlägt. In regelmäßigen Abständen, seit mehr als 30 Jahren, keimt die Idee auf, dass 21 Sozialversicherungsträger für rund acht Millionen Einwohner vielleicht ein bisschen viel sein könnten. Vom ehemaligen FPÖ-Chef Jörg Haider bis zu den NEOS heute haben sich alle Oppositions-, aber auch Vertreter der Regierungsparteien am Imperium der Klientelpolitik, sprich den Sozialversicherungsträgern, erfolglos abgearbeitet.
Jetzt hat Gesundheitsminister Alois Stöger eine Studie in Auftrag gegeben und alle Kassen fahren schon einmal ihre Krallen aus. Das Einsparpotenzial durch Fusionen sei gering, weil der Verwaltungsaufwand in den Kassen zwischen 2,5 und 3,9 Prozent liege. Inklusive der Spitzenjobs, die es in den Kassen zur Befriedigung des jeweiligen Partei- und Kammerklientels gibt. Die Aufregung bei den Sozialversicherern ist groß.
Dabei müsste sie unter den Patienten am größten sein. So ungerecht und unfair ist das System. Ein Beispiel: Während sich 80 Prozent der Arbeitnehmer in den Gebietskrankenkassen wiederfinden und dort sämtliche schlechten Beitragszahler wie Arbeitslose, Studenten oder Asylwerber auffangen müssen, ist die reichste Kasse jene der Beamten. Dort hatte man letztes Jahr ein Luxusproblem: Die Kasse saß auf zu viel Geld und musste den Selbstbehalt für ihre Versicherten von 20 auf zehn Prozent reduzieren. Wenn selbst Beamtenvertreter nun fordern, einen Solidarfonds einzurichten, um die Gebietskrankenkassen zu stützen, ist das ein richtiger erster Schritt. Die Beitragssätze wurden angeglichen, die Bemessungsgrundlagen und Selbstbehalte stehen noch aus, die Leistungen gehören harmonisiert und die ständische Vertretung abgeschafft. Wer sortiert Kranke nach ihrem Job und ist gleichzeitig gegen die Zweiklassenmedizin?
Bingo: Die Bundesregierung samt Sozialpartnerschaft.

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