Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 23. November. Von CHRISTIAN JENTSCH. „Helden auf den Straßen und im Stadion.“

Innsbruck (OTS) Irans mutige junge Helden bieten dem Regime auf den Straßen und auch im Fußballstadion bei der Weltmeisterschaft in Katar die Stirn. Doch die Demonstranten haben mächtige Gegner. Nicht nur im eigenen Land.

Sportlich ging das iranische Fußball-Nationalteam bei der Weltmeisterschaft in Katar im Spiel gegen England als klarer Verlierer vom Platz. Und trotzdem konnten Irans Fußballer mit ihrem stillen Protest gegen das um sich schlagende Regime zuhause die Herzen vieler Fans gewinnen. Beim Abspielen der iranischen Hymne blieben Irans Spieler mit versteinerten Mienen stumm. Irans Staatssender unterbrach daraufhin seine Live-Übertragung. Und auch auf den Rängen im Stadion machten Zuschauer mit Botschaften wie „Frauen, Leben, Freiheit“ auf die Niederschlagung der Proteste in ihrer Heimat aufmerksam. Die Spieler und die Fans bewiesen dabei unglaublichen Mut. Mut, der angesichts der drohenden Konsequenzen für sie selbst und möglicherweise auch für ihre Familien Hochachtung und Bewunderung verdient.
Es ist jener Mut, mit dem seit über zwei Monaten die Menschen im Iran gegen ein brutales Regime auf die Straßen gehen. Der gewaltsame Tod eines 22-jährigen Mädchens in Polizeigewahrsam Mitte September – die Sittenpolizei hatte die junge Kurdin festgenommen, weil sie gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstoßen haben soll – hat eine Protestwelle ausgelöst, welche die Fundamente des Mullah-Regimes ins Wanken bringt. Angeführt von jungen Frauen, die im islamischen Gottesstaat in der Öffentlichkeit demonstrativ ihr Kopftuch ablegen, haben sich mittlerweile alle Gesellschaftsschichten und vor allem alle Ethnien angeschlossen. Die Demonstranten­ wollen sich von den Machthabern in Teheran nicht spalten lassen. Vor allem in den Kurdengebieten im Norden und Nordwesten des Iran setzen die Sicherheitskräfte des Regimes auf exzessive Gewalt. So soll in mehreren Städten wahllos auf Demonstranten geschossen worden sein. Und die iranischen Revolutionsgarden bombardieren kurdische Stellungen im Nordirak. Dort, wo auch das NATO-Land Türkei kurdische Milizen mit Luftangriffen ins Visier nimmt.
Doch trotz aller Gewalt seitens der Polizei und regierungstreuer Milizen gibt es für viele Demonstranten kein Zurück mehr. Und: Die Säulen des Mullah-Regimes sind bereits von tiefen Rissen durchzogen. Wenn sich die Herrschenden nur mehr mit exzessiver Gewalt an der Macht halten können, haben sie längst jegliche Legitimation verloren. Doch das heißt leider noch lange nicht, dass die Tage des Regimes gezählt sind. Auch die Grüne Bewegung von 2009 ist gescheitert, obwohl damals Hunderttausende auf die Straßen gingen.
Übrigens: Auch vielen Nachbarn des Iran, die sich in inniger Feindschaft zu Teheran üben, kommt eine von Frauen getragene Revolution im Iran wohl alles andere als gelegen. Denn diese Revolution bringt auch ihre totalitären Systeme in Bedrängnis. Irans Helden haben viele Gegner.

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