Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 21. Juni 2017. Von MARIO ZENHÄUSERN. „Unwürdiger Schlagabtausch“.

Innsbruck (OTS) - Die Schließung der Mittelmeerroute zur Bewältigung der Flüchtlingskrise ist alternativlos. Das wissen auch Kanzler Kern und Außenminister Kurz. Dass sie dennoch heftig darüber streiten, liegt am Wahlkampf und den blanken Nerven.

Die beiden Stars der noch immer amtierenden, aber leider wenig agierenden großen Koalition, Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), liefern sich derzeit einen heftigen Schlagabtausch in der Frage der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Kurz will bekanntlich die Mittelmeerroute schließen, was Kern als „gut klingende Parole“ abtut und als „populistischen Vollholler“ abqualifiziert.
Das Interessanteste an diesem völlig unnötigen Streit ist, dass die beiden designierten Spitzenkandidaten ihrer jeweiligen Parteien für den bereits voll entbrannten Nationalratswahlkampf inhaltlich nicht so weit auseinanderliegen, wie Kerns deftige Wortwahl glauben macht. Beide wissen, dass die Schließung der Mittelmeerroute letztlich ohne Alternative ist. Für Italien, für Österreich und natürlich für Europa. Und beiden ist klar, dass ein Scheitern bei der Lösung dieses Problems verheerende Konsequenzen hätte. Auch für Österreich, das nach Italien als zweites europäisches Land von Flüchtlingen überrannt würde.
Deshalb ist Kern ja auch nicht prinzipiell gegen die Schließung der Mittelmeer-Route. Nur will er vorher wissen, „wie wir das funktionierend hinkriegen“. Der Bundeskanzler spricht in diesem Zusammenhang von Quoten für eine reguläre Migration, Investitionen in den betroffenen Regionen in (Nord-)Afrika und vor allem von den Kosten, die das alles verursacht. Für Kurz stellen Kerns Einwände Selbstverständlichkeiten dar. Natürlich müsse man das europäische Asylsystem dramatisch verändern, außerdem habe sich Österreich immer für Flüchtlingszentren außerhalb von Europa ausgesprochen.
Die Standpunkte von Kern und Kurz sind also zumindest ähnlich. Noch offene Detailfragen ließen sich in normalen Zeiten in einem kurzen Gespräch klären. Weil aber Wahlkampfzeiten bekanntlich von „fokussierter Unintelligenz“ geprägt sind, wie Michael Häupl einmal treffend bemerkte, liefern die kaum vorhandenen Differenzen derzeit genug Munition für hitzige Debatten und harte Angriffe. Das ist weder der Dringlichkeit des Problems noch der handelnden Personen bzw. ihrer Positionen würdig und beweist lediglich, wie blank die Nerven mittlerweile liegen. Statt gemeinsam zu versuchen, die in dieser Frage ohnedies auseinanderdriftende EU auf Linie zu bringen, treiben SPÖ und ÖVP bzw. Kern und Kurz die gegenseitige Abneigung auf die Spitze. Gut, dass wenigstens das bald vorbei ist.

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