Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 20. September 2017. Von Floo Weißmann. „Jeder für sich und jeder zuerst“.

Innsbruck (OTS) Der erste Auftritt des neuen US-Präsidenten vor der UNO hat den Knaller geliefert, den viele erwartet hatten. Problematisch sind dabei nicht allein seine Drohungen, sondern auch die gesamte Philosophie, die dahintersteht.

Von Donald Trumps erster Rede vor den Vereinten Nationen wird wohl vor allem seine Drohung in Erinnerung bleiben, Nordkorea zu vernichten. Zwar hatte er Pjöngjang schon zuvor eine nukleare Apokalypse in Aussicht gestellt. Aber vom Rednerpult der Weltorganisation aus wiegt die düstere Vision noch schwerer. Noch dazu, wo es zur Gründungsidee der UNO gehört, Konflikte gemeinsam einzudämmen. Da mag auch mancher altgediente Diplomat zusammengezuckt sein.
So dramatisch die Wortwahl, so altbekannt der Inhalt. Der US-Präsident wiederholte über weite Strecken seine außenpolitischen Positionen. Beispielsweise verteufelte er erneut den Iran als Wurzel des Bösen im Nahen Osten und übersah geflissentlich die Rolle seiner politischen Geschäftspartner in Saudi-Arabien. Er wiederholte auch ganz unverblümt, dass die USA einen „unfairen“ Anteil an der Finanzierung der Vereinten Nationen leisten.
Weniger schlagzeilenträchtig, aber nicht minder aufschlussreich erscheint die weltpolitische Philosophie, die Trump wie einen Bogen über seine Rede spannte. Mehrfach betonte er die Rolle von starken, souveränen Nationen. Den anwesenden Staatenlenkern empfahl er sein Leitmotiv „America first“ zur eigenen Verwendung. Motto: Jeder für sich und jeder zuerst.
Es versteht sich eigentlich von selbst, dass Regierungen vor allem ihren eigenen Bürgern und nationalen Interessen verpflichtet sind. Die Vereinten Nationen hingegen bilden das Forum, in dem es um Gemeinsamkeit und Kooperation geht – gerade in Zeiten globaler Herausforderungen. Noch vor einem Jahr hatte der scheidende US-Präsident Barack Obama die Zukunft der Menschheit in den Mittelpunkt seiner Vermächtnisrede gestellt. Dass Trump nun an derselben Stelle die Wiedergeburt des Nationalstaats beschwört, besiegelt die Kehrtwende in der US-Außenpolitik.
Mit seiner Rede bedient Trump nach innen seine Kernwähler, denen der Rest der Welt verdächtig erscheint, und nach außen rechtfertigt er seine aggressive Politik. Er nimmt in Kauf, dass die Konflikte in der Welt zunehmen, wenn seine starken Nationen auf dem Zuerst-Gleis aufeinanderprallen. Ihm geht es vor allem um die Warnung, dass die Supermacht dabei nicht unter die Räder kommen wird – sei es um den Preis der Vernichtung eines anderen Landes.
Zwar klaffte bei den Vereinten Nationen schon immer eine tiefe Kluft zwischen Idealen und Wirklichkeit. Doch mit dem neuen US-Präsidenten ist die Welt noch ein Stück gefährlicher geworden.

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