Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 2. November 2022. Von PETER NINDLER. „Zehn Milliarden Ausreden“.

Innsbruck (OTS) Der Brennertunnel droht der teuerste verkehrspolitische Sündenfall aller Zeiten zu werden. Nicht einmal die Mitgliedsstaaten der Alpenkonvention konnten sich zu einem Kapazitätsmanagement auf den Transitrouten wie am Brenner durchringen.

Gemach, gemach: Generell hat sich nämlich die Europapolitik zu einer Schwachstelle in Tirol entwickelt, das Land muss vorerst einmal vor der eigenen Haustüre kehren. Was das positive Lobbying für die Interessen und Anliegen – auch zum Transit – betrifft, hat die Landespolitik abgewirtschaftet. Europapolitik reduziert sich meist auf landesübliche Empfänge mit dem europäischen Sternenbanner im Hintergrund, das „Euregio-Büro“ in Brüssel ist hauptsächlich Fassade statt Inhalt. Tirol hat es außerdem nicht geschafft, Verbündete zu gewinnen. Wobei es verkraftbar ist, wenn Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher zum CSU-Parteitag nach Augsburg eingeladen wird und dort mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder über die „Zukunft der Alpenregionen“ bzw. über einen „kohlenstoffneutralen Alpenraum“ diskutiert, aber kein Wort über einen der Hauptverursacher der Klimabelastung verliert: den Transit.
Aber um es gleich vorwegzunehmen: Ohne eine mengenmäßige Reduktion der aktuell 2,5 Millionen Transitfahrten auf der Brennerachse wird es nicht gehen. Es reicht, die Belastungen für Mensch und Umwelt sind nicht mehr länger hinnehmbar. Eine höhere Korridormaut ist lediglich ein politisches Ablenkungsmanöver und ihr Nutzen gering. Jetzt kommt es sogar so weit, dass sich Tirol für die Behinderungen wegen der notwendigen Sanierung der Luegbrücke bei den internationalen Frächterlobbys entschuldigen muss. Wer brockt uns schließlich den schlechten Straßenzustand ein?
Der Brenner-Transit gehört deshalb schrittweise auf eine Million Lkw-Fahrten reduziert und der Rest auf die Bahn verlagert. Punkt. Für was wird eigentlich der zehn Milliarden Euro teure Brennerbasistunnel gebaut, wenn die (Transport-)Wirtschaft ihre Güter ohnehin lieber auf der nach wie vor zu billigen Straße befördert? Als Reiseziel für politische Ausflugstouristen vom Europäischen Parlament? Dort, wo es von Italien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden schon zehn Milliarden politische Ausreden gibt, warum die Verlagerung nicht funktioniert.
Dazu kommen noch diese Wischiwaschi- Organisationen wie ARGE Alp, Eusalp (EU-Alpenstrategie) oder die international verankerte Alpenkonvention. Über schwammige Formulierungen zur Verkehrsverlagerung im alpenquerenden Gütertransitverkehr sind die Mitgliedsländer der Alpenkonvention bei ihrer Alpenkonferenz in der Schweiz nicht hinaus­gekommen. Nicht einmal auf ein gemeinsames Kapazitätsmanagement auf den Alpentransitkorridoren konnten sie sich einigen, um die neuen Bahntransversalen voll zu nutzen.
Ob Alpenkonvention oder EU: Der Transit rollt weiter trotz zig Milliarden für den Brennerbasistunnel.

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