Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 2. Mai 2017. Von MICHAEL SPRENGER. „Das Dilemma der SPÖ“.

Innsbruck (OTS) Die Wiener Landespartei lieferte „ein Schauspiel der Machtversessen- und Zukunftsvergessenheit“. Der ÖVP und FPÖ kann das alles egal sein. Doch weiß die SPÖ, was passiert, wenn Christian Kern bei den Wahlen scheitert.

Vorwärts! Das war einmal. Seit Jahren geht es für die SPÖ abwärts. Die Partei ist ausgelaugt. Erst mit Christian Kern an der Parteispitze machten sich bei den Genossen wieder Gewissheit und Hoffnung breit, dass es wieder aufwärts gehen könnte. Von Aufbruchstimmung war die Rede. Was passierte in dem Jahr? In der Partei war man zufrieden, dass man nun einen Vorsitzenden habe, der gut ankommt, gut reden kann. Doch es ging kein Ruck durch die satt gewordene Partei. Kern wird’s schon richten.
Nein, das wird er nicht. Alle in der Partei wissen, was nach der nächsten Nationalratswahl droht. Doch was nützt alles Wissen, wenn daraus keine Handlungen folgen, kein Tun? Stattdessen übt sich die mächtige Wiener Landespartei in massiver Selbstbeschädigung. Monate des Ränkespiels gipfelten am Samstag in einer Streichorgie am Parteitag.
Mit einer vielbeachteten Rede betrat Christian Kern vor knapp einem Jahr die politische Bühne – nachdem er zuvor von den Parteigremien zum Nachfolger von Werner Faymann designiert worden war. Dabei sagte er eindrucksvoll, woran es krankt. Auch in seiner Partei. Er übte scharfe Kritik an der ritualisierten Politik, an der Sprache der Inhaltslosigkeit. Das „Schauspiel der Machtversessen- und Zukunftsvergessenheit“ dürfe so nicht weitergehen.
Kerns Worte rüttelten auf, mittlerweile sind sie längst verflogen. In den allermeisten Bundesländern, vor allem im Westen, befindet sich die SPÖ weiterhin in Agonie. Im Burgenland hat sich die Partei längst mit der FPÖ arrangiert. Und in Wien übt man in der Wahlzelle den feigen Machtkampf.
Aus Kerns Sicht kann man verstehen, dass er angesichts dieses Zustands von vorgezogenen Wahlen nichts wissen will. Selbst wenn er weiß, dass es mit der ÖVP auf der Regierungsbank nicht besser wird. Nicht für ihn, nicht für die Partei.
Also versucht der Kanzler ein fast unmögliches Unterfangen. Er versucht gemeinsam mit seinem Konterpart Reinhold Mitterlehner Sachpolitik zu betreiben. Zugleich glaubt er, mit populistischen Tönen der FPÖ und seinem möglichen ÖVP-Herausforderer Sebastian Kurz das Wasser abzugraben.
Dieses Vorhaben allein kostet viel an Glaubwürdigkeit. Wenn dann noch die eigene Partei in Agonie verweilt oder ihre Machtspiele betreibt, dann ist es auch zum Scheitern verurteilt. In der SPÖ müssten eigentlich alle wissen, was dann kommt.

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