Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 18. April 2018. Von GABRIELE STARCK. „Gespalten hat Europa keine Zukunft“.

Innsbruck (OTS) Macron steht mit seinem Reformeifer für Europa alleine da. Doch die EU scheitert nicht nur an den illiberalen Tendenzen seiner östlichen Mitglieder. Auch nationalstaatliche Egoismen Westeuropas stehen einer starken Union entgegen.

So kann Europa nicht bestehen. Auch wenn die Reaktionen auf Emmanuel Macrons gestrige Rede in Straßburg wohlwollend klangen: Bei näherer Betrachtung gehen die Positionen, wie die EU künftig aussehen soll, weit auseinander.
Während Macron Europa sowohl nach außen als auch nach innen stärken will, bestehen andere wie Bundeskanzler Sebas­tian Kurz darauf, die Entscheidungsgewalt der EU zugunsten der Nationalstaaten zurückzudrängen. Wobei sich das bei kleinen Regulierungen nicht einmal widersprechen muss. Entscheidend sind vielmehr die großen Brocken, die Haushalts- und Stabilisierungsfragen betreffen, welche Europas Stellung in der Welt mitbestimmen werden.
Die Staats- und Regierungschefs betonen gern externe Risiken für die EU – etwa den Protektionismus eines Donald Trump, das Machtstreben Chinas oder das autokratisch regierte Russland. Doch all das findet sich auch in ihren eigenen Reihen wieder – in beharrenden, ausgrenzenden und nationalistischen Tendenzen, die für ein prosperierendes Europa mindestens ebenso riskant sind wie die Bedrohungen von außen.
Es geht nicht vorrangig um Sicherheit oder den Schutz der Außengrenzen. Es geht um ein solidarisches Miteinander in einem freien, lebenswerten und wirtschaftlich starken Europa. Solange die auf den Einzelstaat ausgerichteten Egoismen nicht zur innereuropäischen Solidarität werden, schwächt das den Kontinent gesamthaft und die Zukunft jedes Einzelnen.
Macrons Ansatz, keine EU-Erweiterung ohne vorherige Vertiefung der jetzigen Union, ist deshalb auch ein Signal, aus Fehlern zu lernen. Die ehemaligen Ostblock-Staaten wurden nicht nur aus geopolitischen Gründen so rasch aufgenommen, sondern vor allem, weil die Wirtschaft Westeuropas so uneingeschränkten Zugang zu neuen Märkten bekam. Inwieweit diese Staaten bzw. deren Bürger die Bedeutung und den Wert von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu schätzen und zu schützen gelernt hatten und die europäische Idee nachvollziehen konnten, interessierte niemanden. Ein Ganzes wurde so nicht daraus und inzwischen driftet Europa sogar wieder weiter auseinander.
Doch schuld daran sind keineswegs nur die neuen Länder. Ausgerechnet Deutschland, der vermeintliche Verbündete Frankreichs, hat sich jetzt deutlich wie nie zuvor gegen Macrons Pläne zur Stärkung der EU gestellt. Das Land, das seine wirtschaftliche Dominanz wie kaum ein anderes aus den Beziehungen mit anderen Staaten zieht. Das ist eine Ohrfeige für alle überzeugten Europäer.

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