Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 15. Juni 2021. Von Floo Weißmann. „China als der Andere“.

Innsbruck (OTS) Der Westen wollte China durch Einbindung im Zaum halten, stattdessen kam Xi Jinping an die Macht. Jetzt stehen die Zeichen auf Abgrenzung und Systemkonflikt, angetrieben vor allem von den USA.

Die Rivalität zwischen China und dem Westen wird auf Jahre und vielleicht Jahrzehnte zu einem bestimmenden Faktor der Weltpolitik. Schon der G7-Gipfel, der am Sonntag zu Ende ging, hat eine Gegenposition zu China eingenommen. Dabei standen wirtschaftspolitische Fragen im Vordergrund. Der NATO-Gipfel schob gestern die sicherheitspolitische Dimension nach. Über den strategischen Fragen von Handel, Investitionen, Technologien, Rüstung und Einflusssphären schwebt ein Systemkonflikt. Gemeint sind gegensätzliche Auffassungen, was die (zumindest angestrebte oder postulierte) gesellschaftliche Ordnung betrifft.
Diese Frontstellung ist nicht über Nacht über die Welt hereingebrochen. Chinas Aufstieg zur Supermacht hatte sich lange abgezeichnet. Der Westen verfolgte zunächst den Ansatz, China durch Einbindung in die globalen Strukturen im Zaum zu halten. Doch die erhoffte Liberalisierung in Peking ist ausgeblieben. – Im Gegenteil:
Mit Xi Jinping ergriff eine KP-Fraktion die Macht, die offen globale Dominanz beansprucht und in der Innen- wie der Außenpolitik weitaus aggressiver vorgeht als die vorsichtigen Reformer und Verwalter vergangener Jahre. Dafür sprechen beispielsweise die Kampagne gegen die Uiguren und die massive Aufrüstung.
Auf der Gegenseite nimmt die Macht der Vereinigten Staaten relativ zum Rest der Welt ab. Daraus folgt, dass die USA zur Verteidigung ihrer Interessen verstärkt auf internationale Kooperationen angewiesen sind. Die unilaterale und oft unberechenbare Politik der Trump-Jahre hat eine geordnete Reaktion des Westens auf Xis Ansprüche verzögert. Trumps Nachfolger Joe Biden versucht nun, Amerikas Allianzen zu erneuern und auf Widerstand gegen China einzuschwören. Die Gipfelerklärungen lieferten dazu nur den Auftakt. China wird im westlichen Weltbild den Platz des Anderen einnehmen, über den man sich durch Abgrenzung indirekt definiert. Umfragen zufolge ist die allgemeine Einstellung gegenüber China überall in der demokratischen Welt in den vergangenen zwei Jahrzehnten ins Negative gekippt.
Das weckt Erinnerungen an den Kalten Krieg, zumal nun auch Rüstungsfragen eine immer größere Rolle spielen. Aber die Welt von heute ist komplexer und enger verflochten als damals, und beide Seiten bleiben – etwa beim Kampf gegen den Klimawandel – zur Kooperation verdammt. Dazu kommt, dass es sowohl im Westen als auch in der chinesischen KP Kräfte gibt, die gegen eine Blockbildung arbeiten. Die Rivalität zwischen China und dem Westen so zu managen, dass es nicht zu einem Crash kommt, zählt zu den größten weltpolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre.

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