Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 11. Mai 2017. Von ALOIS VAHRNER. „Es ist tatsächlich genug!“.

Innsbruck (OTS) Nie war ein Rücktritt verständlicher als jener von ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner. Sein „Es ist genug“ gilt aber auch für die unsägliche Performance der gesamten Koalition. Die Bevölkerung hat sich Besseres verdient als dieses Schauspiel.

Als Reinhold Mitterlehner 2014 den mehr als nur glücklosen Michael Spindelegger ablöste und zum bereits 16. ÖVP-Obmann nach 1945 gekürt wurde, eilte dem Oberösterreicher sein Spitzname „Django“ voraus. Nicht einmal drei Jahre blieb er auf dem schwarzen Schleudersitz, jetzt warf er das Handtuch. Entnervt von den ständigen Streitereien mit dem Koalitionspartner SPÖ, aber wohl noch mehr von den ständigen Ausritten und Querschüssen aus der eigenen Partei. Mitterlehner wollte als einer der wenigen in der rot-schwarzen Regierung tatsächlich gemeinsame Sacharbeit. Und er hat etwa mit seiner recht deutlichen Wahlempfehlung für Alexander Van der Bellen auch innerhalb seiner hier stark gespaltenen Partei zumindest persönlich Flagge gezeigt.
Mitterlehner war gut gestartet, zuletzt hatte er die ÖVP immer weniger im Griff – was bei deren Strukturen und der Viezahl an politischen Wichtigmachern ohnehin kaum möglich ist. Was sollte der weichgeschossene VP-Chef anderes machen, als zu gehen? In einer Koalition, die außer gegenseitigen Gehässigkeiten und Wadlbeißereien nur wenig zu bieten hat. Und in einer ÖVP, in der intern (wie auch in der SPÖ) nur noch über Neuwahlen spekuliert wird. Bis zum Start des Wahlkampfs war Mitterlehner nur mehr die traurige Rolle als Platzhalter für den bis dahin wartenden schwarzen Superman Sebastian Kurz zugedacht. Jetzt hat Mitterlehner spät, aber doch die Reißleine gezogen – und er bringt seine Partei in Zugzwang, die über einen neuen Minister (bei einer Umbildung auch über mehrere) ebenso entscheiden muss wie über den Vizekanzler und einen (Übergangs-)Obmann. Dass Kurz sich als kommender starker Mann die Koalitions- und Partei-Tortur schon jetzt antut, ist kaum zu erwarten. Macht er es ohne umfassende Vollmachten für Personal und interne Reformen, dann wird es mit dieser ÖVP auch später ein Himmelfahrtskommando.
„Es ist genug“, sagte gestern Mitterlehner. Dieser Satz gilt gerade nach der jüngsten verheerenden Performance auch für die Bundesregierung. An den x-ten Neustart von Rot-Schwarz oder die von Kanzler Kern offerierte Reformpartnerschaft glaubt keiner mehr. Niemand will eine Fortsetzung des unsäglichen Schauspiels der letzten Monate bis Herbst 2018 erleben. Am ehrlichsten, vor allem der Bevölkerung gegenüber, sind rasche Neuwahlen. Und die sind seit gestern sehr wahrscheinlich geworden. Dann wird auch die Kanzlerfrage aus dem Trio Kern, Kurz und Strache geklärt. Nur: Einfacher wird auch nach der Neuwahl nichts werden.

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