Innsbruck (OTS) - Misstrauen, wohin man blickt. Der neue Nationalrat geriet in seiner konstituierenden Sitzung zu einer Showbühne der gegenseitigen Abrechnungen. Das hat sich das Hohe Haus nicht verdient.
Den Tag ihrer Wahl zur Nationalratspräsidentin hat sich Elisabeth Köstinger vermutlich anders vorgestellt: Gerade einmal 67 Prozent der Abgeordneten schenkten der 38-jährigen Kärntnerin das Vertrauen. Das sind 117 von 175 gültigen Stimmen und damit gerade einmal vier mehr, als ÖVP und FPÖ zusammen Mandate haben. Von breiter Zustimmung durch alle Fraktionen, wie es parlamentarische Usance sein sollte, also keine Rede. Nicht einmal alle schwarzen Abgeordneten dürften Köstinger ihre Stimme gegeben haben. Die Retourkutsche ließ nicht lange auf sich warten: Auch Doris Bures (SPÖ), Köstingers Vorgängerin, kassierte ein enttäuschendes Ergebnis bei ihrer Wahl. Nur Norbert Hofer (FPÖ) durfte sich über ein starkes Votum freuen und ist somit der lachende Dritte.
Vor allem die NEOS misstrauen der ehemaligen ÖVP-Generalsekretärin Köstinger. Klubobmann Matthias Strolz wählte besonders drastische Worte: Das Parlament sei weder „Durchhaus“ noch „Rangierbahnhof“. Die Vermutung, nicht nur bei der pinken Oppositionspartei: Köstinger wird auch für ein Ministeramt gehandelt und als Vertraute von ÖVP-Parteichef Sebastian Kurz würde sie den parlamentarischen Spitzenposten auch wieder räumen, sollte sie der nächsten Regierung angehören. „Willfährige Manövriermasse“ und „Verhöhnung des Parlaments“, in diese Richtung gingen die nicht selten gehässigen Kommentare in den letzten Tagen – und diese haben argumentativ ihre Berechtigung, sollte Köstinger tatsächlich in naher Zukunft in die Regierung wechseln. Andererseits hat die ÖVP in den letzten Monaten schon mehrmals gezeigt, dass sie für Überraschungen gut ist. Es scheint durchaus denkbar, dass Köstinger im protokollarisch zweithöchsten Amt der Republik verbleibt. Die Qualifikation dafür wird ihr niemand ernsthaft absprechen wollen: Das EU-Parlament, in dem sie einige Jahre gesessen hat, verfügt über weitaus komplexere Mechanismen als das Hohe Haus in Wien.
Was allerdings schon gesagt gehört: Das Parlament ist der falsche Ort für gegenseitige Abrechnungen und diesbezüglich war der erste Tag der XXVI. Legislaturperiode ein wirklich bescheidener. Liste-Pilz-Obmann Peter Kolba nützte seine Antrittsrede im Parlament gar für eine Empörung über „Medienjustiz“ und schaffte damit eine besondere Themenverfehlung. Es kann nur besser werden im neuen Nationalrat. Mehr Sacharbeit, weniger Show, so muss die Devise lauten.
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