TIROLER TAGESZEITUNG, Kommentar: „Eine Frage der Glaubwürdigkeit“, von Karin Leitner

Ausgabe vom 18. Oktober 2017

Innsbruck (OTS) - Es war der obligate Formalakt nach einer Wahl:
Der Kanzler offerierte dem Bundespräsidenten, die Regierung zu entlassen. Dieser bat den Kanzler, mit seiner Riege weiterzumachen, bis die neue Regierung steht.
In der möchte Christian Kerns Truppe wohl auch vertreten sein. Die Partei, die seit dem vergangenen Sonntag nicht mehr Nummer 1 ist, hat Kern das Pouvoir gegeben, mit allen Polit-Konkurrenten über eine etwaige Partnerschaft zu reden. Gleichzeitig sagen die Roten, die Programme von ÖVP und FPÖ seien „fast wortident“, Schwarz-Blau sei de facto schon paktiert.
Wenn das so ist: Warum dann etwas, das das Nachwahlprozedere in die Länge zieht? Noch dazu hat Kern im Sommer coram TV-Publikum kundgetan: Sollte die SPÖ nicht erneut den größten Wählerzuspruch bekommen, werde sie in Opposition gehen. Auch wenn das der Mobilisierung dienen sollte – die SPÖ lag in Umfragen schon damals hinter der ÖVP –, warum realisiert Kern nicht, was er versichert hat? Ja, es gibt internen Druck, wieder exekutiv mitzumischen; vor allem die Gewerkschafter machen den. Sie und die Niessls der Partei würden sich zwecks Machterhalts auch mit den Blauen verbünden. Ja, es geht ums Taktieren, darum, sich nicht sofort aus dem Regierungspokerspiel zu nehmen.
Es geht aber auch um Glaubwürdigkeit. Kerns Gesinnungsfreund Martin Schulz hat, weil das Ziel verfehlt, noch am Wahlabend wissen lassen, dass seine SPD fortan Oppositionspartei ist.
Abgesehen davon: Tut Kern nun das Gleiche, erspart er sich weitere öffentliche Debatten und interne Zerwürfnisse wegen eines potenziellen rot-blauen Bunds. Und er nimmt Heinz-Christian Strache und Sebastian Kurz eine Verhandlungsoption.
Im Jahr 2000 beklagte die SPÖ zu Recht, dass die zweitplazierte FPÖ der drittplazierten ÖVP zur Kanzlerschaft verhalf. Jetzt sollte sie nicht auf diese spitzen. Angesagt ist etwas, das im Wahlkampf gefehlt hat: Polit-Moral.

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