Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 8. Juni 2017; Leitartikel von Serdar Sahin: „Ein unwürdiges Spiel“

Innsbruck (OTS) - Von der ursprünglich geplanten Bildungsreform ist ohnehin nicht mehr viel übrig. Da ist es vielleicht anständiger, jetzt ein Scheitern einzugestehen und nach der Wahl alles neu aufzusetzen.

Der gelernte Österreicher weiß nur zu gut, dass gerade bei Reformen im Bildungsbereich die Wahrscheinlichkeit eines heftigen Koalitionskrachs sehr hoch ist. Obwohl SPÖ und ÖVP seit Anbeginn der Verhandlungen zur Bildungsreform Einigkeit propagiert haben, stehen die Zeichen jetzt auf Scheitern. Gestern blockierten die beiden Parteien einander wieder und überzogen sich gegenseitig mit schweren Vorwürfen.
Besonders enttäuschend an dem Theater ist die Rolle von Harald Mahrer: Der ÖVP-Staatssekretär agierte zuletzt stets als Sachpolitiker (und so bezeichnete er sich auch). Doch nun legte er einen Schwenk von 180 Grad hin. Schließlich hat er das Schulpaket gemeinsam mit SPÖ-Bildungsministerin Sonja Hammerschmid und ihrer Vorgängerin und Parteifreundin Gabriele Heinisch-Hosek verhandelt. Die Partnerschaft war ein Musterbeispiel für koalitionäre Zusammenarbeit, die auch schweren Turbulenzen in der Regierung standhielt. An gegenseitigem Lob wurde selten gespart. Man erinnere sich an das „High five“ von Mahrer und Heinisch-Hosek. „Fast geil“ fand er kurz danach die Errungenschaften in der Bildungsreform. Trotz starker Widerstände von ÖVP-dominierten Lehrergewerkschaften, Eltern und Direktoren wurde das Paket eigentlich fertig verhandelt. Und nun? Mahrer tritt vor die Presse und sagt, dass er sich nicht drängen lassen will. Kommt hier also schon reine Wahlkampftaktik zum Tragen? Ein unwürdiges Spiel ist es jedenfalls.
Doch kehren wir zum Inhaltlichen zurück. Eigentlich müsste Hammerschmid hoffen, dass die ÖVP die Bildungsreform platzen lässt. Nach der kommenden Wahl könnte sie – so sie in der nächsten Regierung wieder den Posten übernimmt – ein besseres Paket aufsetzen.
Das ursprüngliche Vorhaben wurde so oft durch den Fleischwolf gedreht, dass davon wenig übrig blieb. Beispielsweise herrscht bei den geplanten Bildungsdirektionen ein echter Kompetenz-Wirrwarr. Das sieht auch der Rechnungshof so. Nachdem hier keine endgültige Kompetenzreform umgesetzt werde, sollten die Bildungsdirektionen nur als Übergangslösung betrachtet werden, kritisierte der Rechnungshof. Sollte die Reform – unwahrscheinlich, aber möglich – doch beschlossen werden, müsste mit Blick auf die Kritikpunkte die Reform baldigst reformiert werden. Da ist es vielleicht anständiger, jetzt ein Scheitern einzugestehen und nach der Wahl alles neu aufzusetzen.

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