Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 4. Juni 2018; Leitartikel von Gabriele Starck: „Angst schüren, um Macht zu ernten“

Innsbruck (OTS) - Die Rechte in Europa nährt Furcht vor Migranten und verspricht bei Wahlen erfolgreich einen Zuwanderungsstopp als vermeintliches Gegenrezept. Doch ist Angst einmal gesät, kann sie auch unkontrollliert zu wuchern beginnen.

Wahlkämpfende Populisten in Europa haben’s einfach. Sie müssen nur versprechen, alles gegen Migration und Migranten zu unternehmen, und ihre Parteien schießen in der Wählergunst nach oben. Zuletzt gestern in Slowenien, wo der rechtskonservative Janez Jansa bei der Parlamentswahl als Sieger hervorging. Dass Jansa mit seiner Art des Regierens schon gescheitert ist und einst sogar wegen Korruptionsvorwürfen im Gefängnis saß, ist egal. Er spricht mit seiner von Ungarns Regierungs­chef Viktor Orbán kopierten Anti-Flüchtlings-Kampagne die Menschen mehr an als der bislang amtierende Regierungschef Miro Cerar, der sein Land aus der Wirtschaftskrise geführt hat. Denn wer in das Abschottungs- und Abschreckungskonzert nicht mit einstimmt, verliert Wähler.
Ja, es stimmt. Die große Flüchtlingsbewegung 2015 ist für diese Entwicklung in Europa maßgeblich mitverantwortlich. Doch nicht, weil die herbeigeströmten Menschen brandschatzend und mordend durch europäische Lande zogen, sondern weil Europas Rechte diese Situation für sich zu nutzen wussten. Jene Zuwanderer, die tatsächlich kriminell agieren oder gar in terroristischer Absicht morden, werden als generell gültiger Nachweis für die existenzielle Gefahr, die Europa durch das Fremde droht, herangezogen. Gewalt gegen Frauen – sei sie körperlicher oder struktureller Natur – wird fast nur noch im Zusammenhang mit Migration diskutiert, sprich auf diese zurückgeführt.
Anders gesagt: Es wird Angst geschürt. Die Angst vor körperlichen Übergriffen und materiellen Verlusten. Und wo sich Angst einmal festgesetzt hat, ist sie nur schwer wieder wegzubekommen. Das ist bei allen Ängsten so, da nützen auch die besten Argumente nichts. Wie der am Samstag verstorbene österreichische Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt einst meinte: „Fremdenscheu hat kultur­unabhängig jeder – zu Fremdenhass wird erzogen.“ Da haben die Rechtsaußen Europas in weiten Teilen ganze Arbeit geleistet.
Und wenn erst einmal der Boden für ausreichend Hass gelegt ist, folgt der nächste Schritt: die Verharmlosung gewalttätiger Abwehrmechanismen bis hin zur Vernichtung des Unerwünschten. Die Zahl rechtsextremer Gewalttaten steigt, die Brandlegung in einem Flüchtlingsheim wird zur Randnotiz. Und die AfD sagt öffentlich, dass der Nationalsozialismus ein „Vogelschiss in der deutschen Geschichte“ war. Quo vadis, Europa?

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