Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 30. Juni 2017; Leitartikel von Michael Sprenger: „Was heißt denn hier Bewegung?

Innsbruck (OTS) - In Österreich wollen es immer mehr Politiker dem Franzosen Macron gleichtun: Sie setzen auf Bewegung
statt auf die Partei. Doch woran Kurz arbeitet, ist eine erneuerte ÖVP. Woran Pilz denkt, nennt man Parteispaltung.

Emmanuel Macron dient allen als Vorbild.
Verständlich. Macron, ein Vertreter der politischen Elite Frankreichs, hat es verstanden, den Nerv der Zeit zu treffen. Das politische System dort ist erlahmt und verkrustet. Er trat daher als Minister zurück, vertraute auf sein Charisma, brachte sich für das höchste Amt im Staate in Stellung – und zimmerte sich zugleich eine eigene Bewegung. Heute ist Macron Staatspräsident, „En Marche“ wurde zum mehrheitsfähigen Sammelbecken der Orientierungs- und Heimatlosen, die sich weigerten, mit den rechten Schmuddelkindern gemeinsame Sache zu machen. Herausgekommen ist eine progressive, liberale und sozialdemokratische Gruppierung mit konservativen Zügen. Eine Bewegung jenseits von links und rechts.
Emmanuel Macron dient als Vorbild. Auch in Österreich. Doch wir haben keinen Macron. Das muss per se kein Nachteil sein. Es stimmt, es gibt politische Ich-AGs. Daraus kann auch unzweifelhaft eine Aufbruchsstimmung entstehen. Aber wo bitte ist eine Bewegung entstanden?
Nehmen wir Christian Kern. Nach dem Rücktritt von Werner Faymann wurde er Kanzler und SPÖ-Vorsitzender. Mit seinen ersten analytischen Aussagen zielte er auf die von der Politik Frustrierten – und traf. Er verkündete einen New Deal, erzeugte Hoffnung, dass wieder Programmatik Einkehr findet in die SPÖ. Doch Neues wurde aus der SPÖ nicht. Was Kern an Macron erinnern mag, ist allenthalben seine Ausstrahlung.
Dann Sebastian Kurz. Er hat die richtigen Schlüsse aus dem Zustand der ÖVP gezogen. Er versteht es, sie nach seinen Vorstellungen zu formen. Das macht er geschickt. Kurz ist das Zentrum, rundherum wird umgesetzt, was er will. Niemand schießt quer. Die ÖVP macht den Eindruck einer stramm und gut organisierten Truppe. So etwas kann man Neugründung nennen, ohne vorher das Alte zertrümmern zu müssen. Die Schwarz-Türkisen nennen sich trotzdem Bewegung. Dies dürfte wohl dem Zustand geschuldet sein, dass Partei heutzutage so gestrig klingt. Bleibt also noch der Grüne Peter Pilz, der seinen Plan, selbst bei der Wahl anzutreten, mit der Bürger-Sehnsucht nach Neuem, nach einer Bewegung begründet. Bei aller Wertschätzung, die man Pilz entgegenbringen kann – eine eigene Liste mag in seinem Fall erfolgreich sein, aber dann nennen wir es doch, was es ist:
Parteispaltung.
Mit Emmanuel Macron hat dies alles nur am Rande zu tun.

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