Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 3.März 2018; Leitartikel von Mario Zenhäusern: „Kein Schwarzer Peter für die Roten“

Innsbruck (OTS) Die SPD-Basis in Deutschland wird die Koalition mit der CDU/CSU wohl absegnen. Damit bleibt Angela Merkel zwar Bundeskanzlerin, die Schlüsselpositionen in der neuen Regierung gehen aber an den politischen Mitbewerb.

An diesem Wochenende entscheidet sich, ob unser großer Nachbar Deutschland endlich eine Regierung bekommt und, wenn ja, welche. Nur zur Erinnerung: Gewählt haben die Deutschen bereits am 24. September, also drei Wochen vor den Nationalratswahlen in Österreich. Während hierzulande die Bundesregierung bereits seit zweieinhalb Monaten in Amt und Würden ist, wird Deutschland immer noch provisorisch regiert. Angela Merkel, Bundeskanzlerin und Chefin der stimmenstärksten CDU/CSU, ist immer noch auf der Suche nach einem Regierungspartner. Beim Versuch, mit Grünen und Liberalen eine so genannte Jamaika-Koalition zu bilden, legte sich die FDP quer, gegen die nun geplante Neuauflage der Großen Koalition mit der SPD revoltiert die sozialdemokratische Basis. Bereits beim Sonderparteitag in Bonn stimmten 44 Prozent der Delegierten gegen eine neuerliche Zusammenarbeit mit der CDU/CSU. Jetzt soll eine Urabstimmung für Klarheit sorgen.
Das ist Basisdemokratie in Reinkultur, sorgt aber auch dafür, dass Deutschland, das für sich nach wie vor die Führungsrolle in Europa in Anspruch nimmt, knapp vor der Unregierbarkeit steht. Die FDP hat sich bereits vor der Verantwortung gedrückt, Jamaika platzen lassen. Eine ähnliche Vorgangsweise der Sozialdemokraten würde das Land in eine Krise stürzen.
Dieser Druck allein dürfte aber nicht ausreichen, um die ob der zahlreichen Richtungsänderungen an der Parteispitze zu Recht erboste Basis in Richtung GroK­o – allein die in Deutschland gängige Kurzbezeichnung hinterlässt einen negativen Beigeschmack – zu motivieren. Deshalb ließ die Parteispitze rund um die designierte Chefin Andrea Nahles zuletzt nichts unversucht, um die Vorzüge einer Regierungsbeteiligung hervorzustreichen. Weil auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Beitrag leistete und der SPD im Zuge der Koalitionsverhandlungen ein Schlüsselministerium nach dem anderen schenkte, dürften die Sozialdemokraten die ungeliebte GroKo wohl absegnen. Damit ist die Partei auch den Schwarzen Peter los, der ihr im Falle eines Scheiterns der Regierungsverhandlungen unweigerlich umgehängt worden wäre.
Ob Merkel, die alles dem Erhalt ihrer Kanzlerschaft unterordnete, in der neuen Regierung zu alter Stärke finden wird, ist mehr als fraglich. Die CDU kaut schwer an der verlorenen Macht bzw. an den verschleuderten Regierungsämtern. Dass mit dem neuen „Super-Minister“ Horst Seehofer (CSU, verantwortlich für Inneres, Heimat und Bau) der größte Kritiker der Kanzlerin direkt an ihrer Seite sitzt, macht die Aufgabe auch nicht leichter.

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