Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 28. März 2019; Leitartikel von Anita Heubacher: „1,50 Euro – das ist wirklich billig“

Innsbruck (OTS) - In einem Land, wo sich Leistung lohnen soll, wird Asylwerbenden das Gegenteil demonstriert. Die 1,50-Euro-Idee kann Österreich teuer zu stehen kommen, wenn Integration nicht funktioniert. Deutschland lässt Asylwerber arbeiten.

Die Qualität einer Demokratie erkennt man daran, wie sie mit Minderheiten umgeht. Nun, die österreichische Bundesregierung legt ihr Hauptaugenmerk auf eine inzwischen sehr, sehr kleine Minderheit, jene der Asylwerber, und eine etwas größere, aber immer noch deutliche Minderheit, auf jene der Ausländer. Diese Strategie hat der ÖVP zum Sieg und der FPÖ zum Einzug in die Bundesregierung verholfen und sie ist auch heute noch Erfolgsgarant für Türkis-Blau.
Im Ausnahmejahr 2015, wo eine Masseneinwanderung ganz Europa in der Folge nach rechts driften ließ, wurden in Österreich 88.340 Asylanträge gestellt. Letztes Jahr waren es noch 13.400. Bei 8,8 Millionen Einwohnern machen Asylwerber einen Anteil von 0,15 Prozent aus.
Nichtsdestotrotz ersinnt die Bundesregierung im Staccato immer neue Schikanen, stellt Regeln à la Burka- oder Kopftuch-Verbot für Volksschulkinder auf, das in Österreich so gut wie niemanden betrifft. Es geht nicht um Lösungen, sondern vor allem um ein Signal an die Wähler: Ausländer raus. Ein Signal, das vom ehemaligen Integrationsminister und heutigen Bundeskanzler Sebastian Kurz mitgetragen wird. Bis dato zumeist ungehindert von seinen christlich-sozialen Mitstreitern in der Partei. Nach der Aufregung um Asylwerber in Lehre regt sich nun erneut und endlich Widerstand in den Reihen der ÖVP. Das Vorhaben, Asylwerbern für gemeinnützige Arbeit nur noch 1,50 Euro zu bezahlen, wird als das bezeichnet, was es ist: menschenverachtend.
Wenn Integration nicht funktioniert, kann das einer Volkswirtschaft teuer zu stehen kommen. Je länger es dauert, Menschen arbeitsfähig zu machen, desto länger beziehen sie Sozialleistungen. Arbeitswelten in Europa sind anders als jene in den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Der Weg ist ohnehin schon steinig, umso sinnloser ist es, Asylwerbern zusätzlich Steine in den Weg zu legen. Deutschland hat das erkannt. Dort kann Asylwerbern nach drei Monaten eine Beschäftigung erlaubt werden. Ausgenommen sind Asylwerber aus sicheren Herkunftsländern wie Albanien, Ex-Jugoslawien oder Ghana. In Österreich haben einstmals Politik und Sozialpartnerschaft selbstredend Arbeit als Schlüssel zur Integration bezeichnet. Es wurde darüber gestritten, ob der Arbeitsmarkt für Asylwerber gänzlich zu öffnen sei oder eben nicht. Heute sendet die Bundesregierung ein klares Signal an eine Minderheit: Leistung lohnt sich in Österreich nicht.

Rückfragen & Kontakt:

Tiroler Tageszeitung
0512 5354 5101
chefredaktion@tt.com



Quelle

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER
INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at

(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender.

Tags:
Eigenes Pressefach für Ihre Pressemeldungen - Pressefach.eu

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen