Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 25. September 2017; Leitartikel von Gabriele Starck: „Merkel hat das Schwierigste noch vor sich“

Innsbruck (OTS) Die Langzeitkanzlerin liegt nach der Wahl wieder unangefochten vorne und wird doch in der nächsten Zeit massiver Kritik ihrer Leute ausgesetzt sein. Zudem muss sie zögerliche Juniorpartner von einer Zusammenarbeit überzeugen.

Merkel bleibt. Sie als strahlende Wahlsiegerin zu bezeichnen, wäre dennoch vermessen. Die Verluste für die Union sind mit minus acht Prozentpunkten doch gravierend und höher als zuletzt erwartet. Dass Merkel trotz guter Wirtschaftsdaten an Zuspruch verlieren wird, war angesichts des Flüchtlingsjahrs 2015 klar. Dass gestern eine Million der Unions-Wähler zur rechtsnationalen AfD abwanderte, schlägt aber doch eine Wunde in die Union, die bald zu eitern beginnen könnte. Dann nämlich, wenn die konservativen Kräfte, vor allem die bayerische CSU, angesichts des eigenen schwachen Ergebnisses Merkel dazu drängen, von der Mitte nach rechts zu rücken, um diese Wähler zurückzuholen. Die bayerische Landtagswahl im nächsten Jahr wird diesen Druck aus dem Süden noch erhöhen.
Merkel kann den Kritikern in den eigenen Reihen aber entgegenhalten, dass die Union nach zwölf Jahren mit ihr an der Spitze immer noch mehr als zehn Prozentpunkte vor der Herausforderin SPD liegt. Ebenso dürfte ihrer Haltung die nun wahrscheinliche Regierungskoalition – Schwarz-Gelb-Grün – zugutekommen. „Jamaika“ ist – zumindest im Moment – auch deshalb die einzige Option für Merkel, weil die SPD nach dem Debakel von gestern sofort den Gang in die Opposition ankündigte.
Für das Ergebnis der SPD ist einmal der fehlende Wechselwille jener verantwortlich, die vom prosperierenden Deutschland profitieren. Auf der anderen Seite waren die Versprechungen von mehr Gerechtigkeit für all jene nicht glaubhaft, die nach wie vor unter den harten sozialen Einschnitten der letzten SPD-geführten Regierung unter Gerhard Schröder leiden, an denen die SPD auch zuletzt als Juniorpartner nichts änderte. Schulz selbst hat den Fehler gemacht, seine europapolitische Kompetenz dem Provinziellen unterzuordnen, was er mit dem ständigen Bemühen seines Heimatorts Würselen auch noch unterstrich.
Schulz hat das Schwierigste nun hinter sich, Merkel noch vor sich. Sie muss die FDP und die Grünen zu einer Zusammenarbeit überreden. Wobei nicht die fehlende Übereinstimmung zwischen den Wirtschaftsliberalen und den Ökos das Problem ist, sondern vielmehr die schlechte Erfahrung, die Juniorpartner in Merkels drei Kabinetten bislang machen mussten. Die beiden großen Koalitionen brachten der SPD 2009 und gestern das jeweils historisch schlechteste Ergebnis. Und die FDP flog nach ihrer Regierungszusammenarbeit mit Merkel 2013 ganz aus dem Bundestag. Das schränkt eine allfällige Vorfreude aufs Regieren ein.

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