Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 24. März 2018; Leitartikel von Michael Sprenger: „Der Schaden ist angerichtet“

Innsbruck (OTS) - Die Staatsschutz-Affäre rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz hat nicht nur eine sicherheitspolitische und rechtsstaatliche Komponente. Nationalratspräsident Sobotka sorgte jetzt dafür, die Fehlerkette zu verlängern.

Als ob nicht schon genug Schaden angerichtet worden wäre: Die Fakten zur Staatsschutz-Affäre reichen aus, um von einer sicherheitspolitischen und einer rechtsstaatlichen Krise zu sprechen. Fassungslosigkeit macht sich breit. Der oberste Staatsschützer wird formal auf fünf weitere Jahre bestellt, aber zugleich vom zuständigen FPÖ-Innenminister Herbert Kickl suspendiert. Zuvor wurde eine bewaffnete Polizeieinheit, die für solch einen Einsatz an sich nicht zuständig ist, mit einer Hausdurchsuchung beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung beauftragt. Sie steht unter dem Kommando eines FPÖ-Funktionärs. Dabei wird eine große Menge an Datenmaterial des Nachrichtendienstes beschlagnahmt. Gegen mehrere Mitarbeiter des BVT wird bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs ermittelt.
Doch damit nicht genug. Die SPÖ nahm für sich das Minderheitsrecht in Anspruch, die Affäre in einem Untersuchungsausschuss beleuchten zu lassen. Doch die Mehrheit von ÖVP und FPÖ lehnt den Antrag als „gänzlich unzulässig“ ab. Die Staatsschutz-Affäre bekommt nun also zusätzlich eine parlamentarische Komponente. Von einer Krise des Parlamentarismus zu sprechen, wäre wohl zu früh, denn ÖVP und FPÖ können den U-Ausschuss nur verzögern, nicht verhindern.
Doch der Schaden ist auch hier bereits angerichtet. Dies hat viel mit dem Verhalten von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka zu tun. Als Innenminister im Kabinett Christian Kern hatte er sich den Ruf eines Hardliners erarbeitet. In seiner neuen Funktion hat er bislang alle Versuche verstreichen lassen, den Ruf zu korrigieren. Anstatt dem Parlamentarismus in seiner Kontrollfunktion gegenüber der Regierung das Wort reden, versteht er sich als Gehilfe der Regierung. Der Glaube an Sobotkas Sinneswandel war wohl naiv. Er war es, der nach St. Pölten und Innsbruck eilte, um sich bei den ÖVP-Siegesfeiern in Szene zu setzen. Jetzt beauftragte der frühere Innenminister und somit BVT-Verantwortliche seine Rechtsabteilung, den Antrag des U-Ausschusses prüfen zu lassen. Sein gutes Recht. Er hätte, mit dem Gutachten in der Hand, dafür sorgen können, mit den anderen Parteien den Antrag zu präzisieren. Doch das wollte er nicht. Er sorgte vielmehr dafür, die notwendige Aufklärung in dieser Affäre zu verzögern. Nebenbei wurde das Vertrauen in den eh schon schwach ausgeprägten Parlamentarismus weiter untergraben.

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