Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 19. Oktober 2018; Leitartikel von Peter Nindler: „Kassenreform auf der Rasierklinge“

Innsbruck (OTS) Noch ist die Reform der Sozialversicherungen ein politisches Kopfthema im Würgegriff von Bund und Ländern, Opposition und Regierung sowie Wirtschaft und Arbeitnehmern. Letztlich werden die Versicherten entscheiden, ob sie wirkt oder nicht.

Fünf Krankenkassen statt 21 Sozial­versicherungen. Die Reform war längst überfällig, doch sie bedeutet auch eine Zentralisierung. Vor allem für die wichtigsten Partner der Länder in der Gesundheitspolitik: die Gebietskrankenkassen. Deshalb sind die Befürchtungen über die nach Wien verlagerten Entscheidungskompetenzen zur Österreichischen Gesundheitskasse und die möglichen finanziellen Einschnitte berechtigt. Umso deutlicher fällt je nach Lesart die Mahnung bzw. die Kritik von Tirol aus, dass es zu keinen Beeinträchtigungen der Gesundheitsreform oder der Gesundheitsplanung kommt. In Wahrheit setzt sich auf der Ebene der Krankenkassenreform der Bund-Länder-Konflikt weiter fort. Wobei die finanziell und strukturell gut geführten westlichen Bundesländer wie Vorarlberg und Tirol die größten Vorbehalte gegen eine politisch forcierte Ostlastigkeit des Gesundheitssystems haben.
Noch dazu ist vieles nach wie vor unklar; von der Leistungsfinanzierung über die Mittelbereitstellung bis hin zu Mitsprache­rechten der Regionalstellen in der Gesundheitskasse. Das politische Versprechen einer Patientenmilliarde kann indes mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf ebenfalls nicht Schritt halten. Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker fordert die türkis-blaue Bundesregierung sogar auf, das Spiel mit den Zahlen zu beenden. Die Grundlage sei nämlich nicht nachvollziehbar. Das wiederum bestätigt die Skepsis in den Ländern wegen zu viel „Unkonkretem“ und die strikte Ablehnung von Arbeiterkammer und Gewerkschaft wegen der mutwilligen Zerschlagung eines gut funktionierenden Systems.
Die Arbeitnehmervertreter unterschätzen jedoch die Kopflastigkeit der Kassenreform. Die Versicherten interessiert keine Funktionärs-oder Selbstverwaltungsdebatte, keine Bund-Länder-Rangelei oder Budget- und Personalkontroverse, sondern einzig und allein die Leistung im Krankheitsfall. Aber gerade von der längst notwendigen Leistungs-Harmonisierung ist auch diese Reform noch weit entfernt. Wird der Service schlechter, werden die Betroffenen aufheulen.
In der Vorbereitung, Abstimmung, Einbindung der Interessenvertreter oder Informationspolitik ist die Krankenkassenreform allerdings nicht premiumverdächtig. Sozial­ministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) verdient dafür höchstens einen Amateur-Award. Ob die Kassenreform politisch ein Erfolg wird, darüber entscheiden letztlich weder die Regierung noch die Länder oder die Arbeiterkammern, sondern die Versicherten. Spätestens 2022 an der Wahlurne.

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