Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 18. Mai 2018; Leitartikel von Markus Schramek: „Der ORF, rundum verpolitisiert“

Innsbruck (OTS) - Politische Logik à la ORF: Mit der Wahl Norbert Stegers zum Chef des Stiftungsrats hat die FPÖ ihren Einfluss am Küniglberg abgesichert. Bei der Wahl des nächsten Generaldirektors ist dann die ÖVP am Zug.

Das gibt es nur im ORF: Ein lautstarker Kritiker des heimischen Großsenders sitzt seit gestern ebendort an einflussreicher Stelle. Norbert Steger, freiheitliches Politurgestein und mittlerweile 74 Jahre alt, fungiert fürderhin als Vorsitzender des Stiftungsrats. Damit hält der frühere FPÖ-Obmann und Ex-Vizekanzler (1983–1987) die Macht im wichtigsten Kontrollorgan des öffentlich-rechtlichen Senders inne. Jener Steger, der zuletzt ein Drittel der Auslandskorrespondenten als verzichtbar bezeichnet hatte. Nicht aus finanziellen Gründen, sondern weil dem neuen starken Mann kritische Berichte über die Wiederwahl Viktor Orbáns in Ungarn, mithin nicht gerade ein Hort der Pressefreiheit, missfielen. Den heraufziehenden Protest der ORF-Redakteure tat Steger als „politischen Endkampf für linke Ideen“ ab. Links-rechts, so einfach ist die politische Welt. Ein privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen würde einen öffentlichen Angreifer wie Steger wohl eher in die Wüste schicken, als ihn mit dem Vorsitz im Aufsichtsrat zu belohnen. Doch Personal­entscheidungen im ORF folgen einer eigenen Logik. Die „größte Medienorgel des Landes“(© Ex-Intendant Gerd Bacher) ist eine Spielwiese für parteipolitische Interessen. Ohne Allianzen wird man nichts, schon gar nicht Generaldirektor.
Der aktuelle Amtsinhaber Alexander Wrabetz hat seit gestern ein qualifiziertes Problem mehr. Er ist 2016 von SPÖ-Gnaden in seine dritte Funktionsperiode bestellt worden (bis Ende 2021). Doch nach dem Wechsel zu Schwarz-Blau in der Bundesregierung passt der rot angehauchte Medienmanager farblich nicht mehr ins Bild. ÖVP und FPÖ setzen alles daran, Macht und Einfluss am Küniglberg zu gewinnen. Mit der Kür Norbert Stegers war jetzt die FPÖ am Zug. Bei der Wahl des nächsten Generaldirektors wird dann die ÖVP einen der ihren in Stellung bringen.
Das alles ergibt eine denkbar ungemütliche Konstellation für Wrabetz. Denn der Stiftungsrat ist in seiner neuen Zusammensetzung zu zwei Dritteln mit schwarz-blauem Personal bestückt. Wrabetz könnte mit einer solchen Mehrheit sogar vorzeitig aus dem Amt komplimentiert werden, was wohl einen Aufschrei in der freien Medien­welt nach sich zöge. Ein Druckmittel ist die Umfärbung der Gremien aber allemal. So bleibt der ORF, was er schon lange ist: rundum verpolitisiert. Auch ein neues Gesetz wird daran nichts ändern. Regierungsparteien, egal welche, werden wohl kaum die eigene Macht am Küniglberg beschneiden.

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