Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 16. November 2018; Leitartikel von Karin Leitner: „Verstoß gegen das Gebotsgesetz gefragt“

Innsbruck (OTS) Der Kanzlerpartei dürfte schön langsam klar werden, dass sie mit der demonstrativen Harmonie mit dem Koalitionspartner bei der eigenen Klientel auf Dauer nicht punkten kann.

Harmonie ist das oberste Gebot der Obersten in der Regierung. Bis dato sind der Kanzler und der Vizekanzler damit gut gefahren. Etlichen Bürgern scheint wichtiger zu sein, dass die Koalitionäre nicht streiten, als das, was sie politisch tun. Im Wissen darum hat die ÖVP die FPÖ bis dato in vielerlei Hinsicht gewähren lassen – in Sachen Verfassungsschutz, in Sachen UNO-Migrationspakt, der nicht gutgeheißen wird, bei ihrem Wirken in sozialen Netzwerken.
Mit einem rassistischen Video haben die Freiheitlichen nun aber auch die Toleranzgrenze von Kurz und Co. überschritten. Im Kanzleramt neben Heinz-Christian Strache stehend wertete Sebastian Kurz dieses Machwerk als inakzeptabel. Eine bemerkenswerte Aussage ob des Gleichklangs, der vereinbart worden ist.
Mittlerweile scheint auch dem Regierungschef klar zu sein, dass nicht glaubwürdig ist, bei Gedenkveranstaltungen vor neuem Antisemitismus, Rassismus, Hetze und Spaltung zu warnen, bei einem Polit-Gipfel wegen „Hass im Netz“ solchen zu beklagen – und mit einer Partei zu paktieren, die mit Feindbildern politisches Kleingeld zu machen versucht.
Die FPÖ fährt eine Doppelstrategie: Auf der Regierungsbühne präsentiert sie sich staatstragend, abseits davon in bekannter Oppositionsmanier. Da ist das Muster immer das gleiche: Es wird provoziert, nach Protest geriert man sich als Opfer der „Gutmenschen“ und erbittet das Nachsehen der ÖVP für diesen „Einzelfall“. Türken als „Alis“ mit Schnauzer und Fes dar- und als E-Card-Betrüger hinzustellen mag der FPÖ von ihren Sympathisanten Beifall bringen, viele ÖVP-Anhänger wollen so etwas aber nicht. So wie ihnen Anti-Unionsgehabe missfällt.
Was die Freiheitlichen vor der EU-Parlamentswahl im kommenden Mai bieten werden, ist anhand der Äußerungen ihres Brachialrhetorikers Harald Vilimsky zu erahnen. Um zum Koalitionspartner zu werden, hat sich seine Partei im Regierungsabkommen zwar als pro-europäisch deklariert, realpolitisch wird sie – in einer Allianz mit anderen Rechtspopulisten – wohl nicht so agieren. Beim ersten bundesweiten Urnengang nach der Nationalratswahl muss sie ihre Klientel bei der Stange halten.
Will die ÖVP nicht potenzielle Stimmenbringer an die NEOS verlieren und Nummer 1 bleiben, hat sie dagegenzuhalten. Um den Preis der demonstrierten Harmonie. Es ist geboten, sich wider das oberste Gebot zu stellen – dann, wenn es um Haltung geht.

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