Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 12. Mai 2017; Leitartikel von Mario Zenhäusern: „ÖVP vor Richtungsentscheidung“

Innsbruck (OTS) - Viele ÖVP-Funktionäre und der Großteil der Parteibasis wünschen sich Sebastian Kurz als nächsten Obmann und Kanzlerkandidaten. Doch der stellt dafür Bedingungen, für die manche über ihren Schatten springen müssten.

Die ÖVP steht vor einer richtungsweisenden Entscheidung. Wieder einmal. Der Rücktritt von Obmann Reinhold Mitterlehner zwingt die Spitzenfunktionäre zum Offenbarungseid. Ist die Partei bereit, dem längst feststehenden Nachfolger Mitterlehners und künftigen Kanzlerkandidaten Sebastian Kurz jene umfangreichen Vollmachten einzuräumen, die er als Voraussetzung für seinen Wechsel an die ÖVP-Spitze nennt?
In den vergangenen zehn Jahren hat die ÖVP vier Obmänner verschlissen. Wilhelm Molterer, Josef Pröll, Michael Spindelegger und zuletzt Reinhold Mitterlehner scheiterten auch, weil ihre Partei sie zu Schachzügen zwang, die ein Regieren mit den besten Köpfen unmöglich machte. Die starken Bünde und die Landeshauptleute ließen nichts unversucht, die Durchsetzungskraft des jeweiligen Obmannes auf ein absolutes Minimum zu beschränken.
Das weiß Sebastian Kurz und verlangt deshalb freie Hand. Nicht nur bei der Kandidatenauswahl für Regierung und wichtige Parteifunktionen, sondern auch bei der dringend notwendigen Modernisierung der Partei. Beides geben die Parteigranden nur ungern aus der Hand. Vordergründig loben sie ihren erst 30-jährigen Star, der als Außen-, Europa- sowie Integrationsminister einen eigenständigen Kurs fährt und damit politische Erfolge am laufenden Band einfährt. Wenn es aber ans Eingemachte geht, darum, wer in der ÖVP künftig das Sagen hat, stehen viele auf der Bremse. Wie zum Beweis lehnte der steirische ÖVP-Chef LH Hermann Schützenhöfer bereits gestern eine „Generalvollmacht“ ab. Kurz werde vieles bekommen, aber das sei „Verhandlungssache und kein Wunschkonzert“. Aus Sicht von Sebastian Kurz ist seine Forderung nach absoluter Handlungsfreiheit durchaus nachvollziehbar. Er hat die entnervenden Streitigkeiten zwischen Reinhold Mitterlehner und Klubobmann Reinhold Lopatka oder das familieninterne Duell zwischen Josef und Erwin Pröll – um nur zwei von vielen ÖVP-internen Scharmützeln der jüngeren Vergangenheit zu nennen – erste Reihe fußfrei mitbekommen. Deshalb weiß er, dass er nur erfolgreich sein kann, wenn er sich sein Team, seine engsten Mitarbeiter in der Regierung, in der Partei und im Parlament, selber aussuchen kann.
Die ÖVP hat jetzt die Wahl zwischen Kurz und dem Beibehalten des bisherigen Kurses. Wohin das simple Austauschen des Obmannes führt, hat sich in den vergangenen zehn Jahren gezeigt.

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