Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 11. Mai 2018; Leitartikel von Christian Jentsch: „Krieg am Horizont, Europa am Zug“

Innsbruck (OTS) - Das Pulverfass Naher Osten droht zu explodieren. Das Gebot heißt Deeskalation, nicht Zuspitzung. Mit der Aufkündigung des Atomdeals mit dem Iran spielt US-Präsident Trump mit dem Feuer. Nun muss Europa handeln.

Nur kurz nach dem von US-Präsident Donald Trump verkündeten Ausstieg der USA aus dem im Juli 2015 in Wien geschlossenen Atomabkommen mit dem Iran dreht sich die Spirale der Eskalation. Die Angst vor einem neuen großen Krieg im Nahen Osten wird immer größer. Der Konflikt zwischen Israel und dem Iran schaukelt sich auf, mit unabsehbaren Folgen nicht nur für die Region. Einen iranischen Raketenangriff aus Syrien auf die Golan-Höhen beantwortete Israel in der Nacht auf Donnerstag mit massiven Luftschlägen auf iranische Ziele im Bürgerkriegsland. Noch bekriegen sich beide Seiten in Syrien, doch es bedarf wohl nur noch eines Funkens, um das Pulverfass zur Explosion zu bringen.
Trump hat das Atomabkommen aufgekündigt. Weil er das Vermächtnis seines Vorgängers Obamas zerstören wollte, weil er das Abkommen von Anfang an verteufelte und weil er von Israel und auch Saudi-Arabien dazu gedrängt wurde. Der Iran sei der größte Unterstützer des Terrors in der Region, polterte er. Und sicher, die Aktivitäten des Iran und der von Teheran unterstützten Milizen in Syrien machen nicht nur Israel Kopfzerbrechen. Da muss Teheran einlenken. Doch wer den Iran als alleinigen Hort des Terrorismus brandmarkt, sagt schlicht und einfach nicht die Wahrheit. Die radikal-sunnitische Terrormiliz IS, die nicht nur Syrien und den Irak lange im Würgegriff hielt und für die blutigsten aller Anschläge in Europa und auch den USA verantwortlich ist, ist keine Schöpfung Teherans. Ganz im Gegenteil. Unterstützer fanden die Schlächter des IS lange Zeit in arabischen Ländern, der schiitische Iran gilt den IS-Kämpfern als einer der größten Feinde. Und im Irak bekämpften der Iran und die USA sogar gemeinsam Hochburgen der Terrormiliz.
Zurück zur USA. Mit der Zerschlagung des Atomabkommens geht Trump einen gefährlichen Weg. Er stärkt die Hardliner im Iran, er schwächt die Gemäßigten. Und er hat keinen Plan, wie es nun im Pulverfass Naher Osten weitergehen soll. Da ist nichts als Wüste – der Nahost-Friedensplan ist etwa längst gestorben. Zudem demütigte Trump mit seinem einseitigen Schritt wieder einmal seine europäischen Verbündeten, die das Atomabkommen zum Erfolg gebracht haben. Und er drohte auch europäischen Unternehmen Sanktionen an, sollte man nicht auf US-Kurs schwenken.
Europa ist also am Zug. Europa muss endlich „das Heft des Handelns selbst in die Hand nehmen“, wie es Frankreichs Präsident Macron gestern sagte. Nur am Gängelband wird Europa klein und unbedeutend bleiben.

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