Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 1. Februar 2018; Leitartikel von Peter Nindler: „Nicht verbieten, sondern Haltung zeigen“

Innsbruck (OTS) - Die FPÖ machte Burschenschafter mit ihrem teils extrem rechts angesiedelten Gedankengut und dem Geschichtsrevisionismus wieder salonfähig, während die ÖVP zuschaute. Jetzt die populistische Verbotskeule auszupacken, löst das Problem nicht.

Widerwärtiges Gedankengut lässt sich nicht durch Verbote auflösen. Ob die umstrittene Burschenschaft Germania verboten wird, können nur Behörden entscheiden. Sicher nicht die Politik. Das ist nicht verharmlosend, sondern rechtsstaatlich. Was jetzt passiert, ist Populismus pur. Tagelang ging die schwarz-blaue Bundesregierung in Deckung, plötzlich soll ein Auflösungsverfahren eingeleitet werden. Zuerst werden die deutschnationalen und schlagenden Burschenschafter mit politisch zweifelhaftem Ruf in den blauen Ministerien und in der Bundespolitik salonfähig gemacht, nach dem Liederbuchskandal erschallen die „Haltet den Dieb“-Parolen. So funktioniert Aufklärung bei den Burschenschaftern nicht, obwohl reflektiertes Geschichtsbewusstsein dort längst und vor allem tiefgreifend notwendig wäre. Schließlich zweifeln sie seit jeher auch die Identität Österreichs als eigenständigen Staat an.
Die Germania hat mit dem rechtsradikalen und antisemitischen Liedtext eine Grenze überschritten. Doch in Wahrheit tun sich die deutschnationalen Burschenschaften generell mit der Abgrenzung zum Nationalsozialismus schwer. Immer wieder streifen sie daran an oder verharmlosen die Vergangenheit unter dem Hakenkreuz. Stellvertretend dafür steht die versteckte Distanzierung der Innsbrucker Suevia, die nach wie vor auf ihrem Denkmal des SS-Manns Gerhard Laus­egger gedenkt. Lausegger war in der Pogromnacht 1938 am Mord des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Richar­d Berger beteiligt. Mitglieder der akademischen Burschenschaft Brixia verteilten 1988 an der Universität Innsbruck die rechtsextreme Broschüre „1938. Lüge und Wahrheit. Weder Opfer noch Schuld“. Daraufhin erstattete der Senat Anzeige und wollte die Bezeichnung „akademisch“ aberkennen. Beides ohne Erfolg.
Weil FPÖ-Funktionäre immer nahe daran oder ein Teil davon sind, kritisieren sie nicht die Burschenschaften für ihre geistigen Umtriebe, sondern stets jene, die die Unbelehrbaren zu Recht an den Pranger stellen. Gleichzeitig fehlt es bürgerlichen Politikern oft an Haltung gegenüber Burschenschaftern. So konnten die Schlagenden in die politische Mitte rücken, ohne diesen Schritt auch ideologisch zu vollziehen. Und werden sie wieder einmal ertappt, stehlen sie sich meist mit vorgeschobener Unwissenheit aus der Verantwortung.
Das Strafgesetz ist das eine. Was es jedoch mehr denn je benötigt, sind unmissverständliche Worte der Politik und der Universitäten, dass Geschichtsrevisionismus unvereinbar ist mit einer aufgeklärten Gesellschaft von heute.

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