Tierschutzvolksbegehren im Gesundheitsausschuss: Hearing mit ExpertInnen mit praktischen Vorschlägen der Umsetzung

Gesundheitsressort sieht Volksbegehren als Unterstützung seiner zahlreichen Vorhaben zum Tierwohl

Wien (PK) Den Tieren in Österreich eine Stimme geben, die keinen Schutz erhalten und Qualen erleiden, möchte das Tierschutzvolksbegehren (771 d.B.), das 416.229 mal unterzeichnet wurde. Bevollmächtigter Sebastian Bohrn Mena setzt sich damit für (verfassungs-)gesetzliche Änderungen ein, um das Tierleid zu beenden und heimische BäuerInnen, sowie Gesundheit, Umwelt und Klima zu stärken. Ein öffentliches Expertenhearing im Gesundheitsausschuss zum „Tierschutzvolksbegehren“ befasste sich heute mit den im Tierschutzvolksbegehren formulierten Anliegen. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung, insbesondere auf der Schweinemast. Aber auch andere Fragen, wie Tiertransporte, Schlachtungen oder die Beendigung der Qualzucht von Heimtieren wurden angesprochen. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein betonte, dass sein Ressort bereits viele Fragen behandle und die Diskussionen, die das Volksbegehren ausgelöst habe, als Unterstützung seiner Vorhaben betrachte.

Unter dem Titel „Für ein Österreich, das im Umgang mit Tieren vorbildlich ist“ identifiziert das Volksbegehren fünf thematische Bereiche, die laut seinen ProponentInnen als Gesamtpaket zu betrachten sind. Gefordert werden eine tiergerechte und zukunftsfähige Landwirtschaft, die Förderung des Tierwohls durch öffentliche Mittel, mehr Transparenz für KonsumentInnen, ein besseres Leben für Hunde und Katzen sowie eine starke Stimme für die Tiere.

Zu den Grundsätzen für eine tiergerechte und zukunftsfähige Landwirtschaft sollte demnach neben einer artgemäßen Fütterung gehören, dass die Haltungsformen mit den tierischen Grundbedürfnissen und angeborenen Verhaltensweisen vereinbar sind (z.B. Bewegungsmöglichkeiten), dass Qualzucht, schmerzhafte Eingriffe und Kükentöten beendet und dass Tiertransporte sowie der Stress vor der Schlachtung minimiert werden.

Gefordert wird auch, dass die nationalen landwirtschaftlichen Fördermittel so umgeschichtet werden, dass sie Verbesserungen des Tierwohls über den Mindeststandard hinaus unterstützen und BäuerInnen eine tier- und umweltgerechte sowie existenzsichernde Tierhaltung erleichtern. Für Ausschreibungen und Aufträge öffentlicher Einrichtungen sollten verbindliche, substantielle und ansteigende Mengenquoten für Produkte aus tiergerechter Landwirtschaft und für Bio-Lebensmittel festgelegt werden. Die UnterstützerInnen des Tierschutzvolksbegehrens setzen sich außerdem für eine verpflichtende „Tierwohl-Kennzeichnung“ tierischer Lebensmittel, eine Lösung für die Streunerproblematik und stärkere Mitwirkungsrechte für die Tierschutzorganisationen ein.

Volksbegehren-Proponent Bohrn Mena: Grundlegende Reform der Landwirtschaft unumgänglich

Sebastian Bohrn Mena erinnerte zu Beginn seines Statements an das Bekenntnis zum Tierschutz, das auch in der Verfassung verankert sei. Nun gelte es, dieses Bekenntnis zum Schutz der Tiere als fühlende Mitgeschöpfe in die Praxis umzusetzen. Das sei das grundlegende Anliegen des Tierschutzvolksbegehrens. Sein großer Erfolg mit mehr als 416.000 UnterzeichnerInnen zeige, wie breit die Unterstützung der Forderungen in der Bevölkerung sei. Das Volksbegehren strebe einen grundlegenden Wandel statt der bisherigen Symptombekämpfung an. Wichtig sei es, dass es die Bäuerinnen und Bauern unterstütze, ohne die der notwendige grundlegende Wandel der landwirtschaftlichen Produktion unmöglich sei.

Bohrn Mena betonte, es sei ein Irrtum, anzunehmen, dass die KonsumentInnen es schon in der Hand hätten, wie produziert werde, denn das werde von Konzerninteressen bestimmt. KonsumentInnen müssten tatsächlich aktiv in die Diskussion einbezogen und ihnen echte Wahlmöglichkeiten angeboten werden. Nur so könne das Vorhaben des Umbaus erfolgreich sein.

Vor dem Hearing sei ein umfassender Konsultationsprozess gestartet worden. Dieser habe bereits gezeigt, dass sich alle ExpertInnen einig sind, dass sich etwas ändern müsse, und dass die Bäuerinnen und Bauern unbedingt einzubeziehen seien. Verpflichtende Herkunftskennzeichnung und Umschichtungen der Fördermittel seien zentrale Forderungen. Grundsätzlich dürfe die öffentliche Hand in ihrem Bereich keine Steuermittel mehr für importierte Lebensmittel ausgeben, die österreichischen Standards nicht entsprechen.

Nachdrücklich betonte Bohrn Mena, dass die Menschen in der Frage des Tierschutzes nicht an Parteipolitik, sondern an Lösungen interessiert seien. Diese zu finden sei der Auftrag an die ParlamentarierInnen. Alle Fraktionen würden sich zum Tierschutz bekennen, nun müssten sie auch die parteipolitischen Interessen beiseitestellen und einen lösungsorientierten Prozess vorantreiben.

Balluch: Sackgasse der Massentierhaltung verlassen

Über die aus seiner Sicht notwendige Umgestaltung der Landwirtschaft zu einer tiergerechten Haltung sprach Martin Balluch. Die Massentierhaltung müsse beendet werden, denn das System der Tierindustrie sei grundsätzlich krank und produziere qualitativ schlechte Billigprodukte. Aus dieser Sackgasse der Tierindustrie müsse man herauskommen, forderte Balluch. Kritisch sieht er das System der Tiertransporte. Fast alle Kälbertransporte müssten nach Tierschutzstandards eigentlich als illegal durchgeführt betrachtet werden. Die Massenhaltung von Legehühnern beruhe grundsätzlich auf Qualzucht, ebenso die Putenzucht.

Balluch ging besonders auf die Schweinezuchtindustrie ein, aus der zwei Drittel der österreichischen Fleischproduktion kommen. Die Mastschweinhaltung sei „das größte Drama in der Massentierhaltung“. Hier habe man in den letzten Jahren nur sehr wenige Fortschritte erzielt. Noch immer würden in den meisten Betrieben nur die EU-Mindeststandards erfüllt, was bedeute, dass viele Tiere ihr ganzes Leben in einem Kastenstand verbringen, die Kastration von Ferkeln betäubungslos erfolge und Masttiere ihr ganzes Leben auf Vollspaltenboden verbringen müssten, wo 92% der Tiere schmerzhaft entzündete Gelenke entwickeln würden. Schweine seien aber Tiere mit Charakter und Seele, betonte Balluch, das müsse in der Haltung beachtet werden.  

Kirner: Geändertes Förderregime kann Umstellung der Schweineproduktion unterstützen

Die Erkenntnisse eines Forschungsprojekts zu den Kosten verschiedener Systeme, um das Tierwohl in der Schweinemast zu erhöhen, präsentierte Leopold Kirner. Gut ein Drittel der befragten LandwirtInnen könne sich vorstellen, das System der Schweinhaltung auf ein tierfreundlicheres System umzustellen. Allerdings könne sich mehr als die Hälfte derzeit keine Änderungen vorstellen. Über Erhebungen in Betrieben und Interviews mit LandwirtInnen habe seine Forschungsgruppe versucht, die tatsächlichen Kosten alternativer Haltungsmethoden zu berechnen. Je nach dem Grad des zusätzlichen Tierwohlstandards würden die Kosten steigen. Die Spanne reicht dabei von 6 Cent bis zu 51 Cent pro Kilogramm Schlachtgewicht.

Kirner setzte die erhobenen Zahlen in Beziehung zum derzeitigen Förderregime. Rechne man diese ein, würden sich rund 2 Cent bis ca. 35 Cent Mehrkosten ergeben. Manche der verbesserten Haltungsformen wären nach dieser Kalkulation bereits jetzt billiger. Die Zufriedenheit der LandwirtInnen mit Tierwohlsystemen sei sehr hoch, auch wenn Probleme stets angepasst an den Betrieb gelöst werden müssten. Hier zeige sich aber auch starke Innovationsbereitschaft.

Kopschar: Mehr Tierwohl braucht praktische Lösungen

Birgit Kopschar sprach aus ihrer Erfahrung als Tierärztin über die Frage des Tierwohls. Die Forderungen seien differenziert zu sehen. So gebe es bei den Vollspaltenböden in der Schweinemast zweifellos Verbesserungsbedarf, ein völliger Verzicht werde aber wohl schwer umsetzbar sein. Absolut sinnvoll sind aus ihrer Sicht die Forderungen zum Tiertransport. Kritisch äußerte sie sich zum rituellen Schlachten und zur betäubungslosen Kastration von Ferkeln. Bei letzterer sei die Immunokastration per Impfung, die den Ebergeruch unterdrücke, die schonendste Methode. In Österreich gebe es kein Kükenschreddern, die angewendete Methode von Küken, die nicht aufgezogen werden, sei Gas. Kopschar merkte weiters an, dass sich meist niemand für Streunerkatzen zuständig fühle. Hier sah sie vor allem die Gemeinden, eventuell mit der Unterstützung von Vereinen, gefordert. Bei der Qualzucht von Kleintieren fehle es an Definitionen, was darunter zu verstehen sei, merkte sie an. Diese müssten definiert werden, um das Gesetz handhabbar machen.

Wolf: HundehalterInnen müssen wissen, woher ihre Tiere kommen

Katja H. Wolf sprach als Vertreterin des Österreichischen Kynologenverbandes über die Zucht von Rassenhunden. Diese sei eine sehr aufwändige Tätigkeit mit geringen Gewinnspannen. HundezüchterInnen müssten sehr viele Auflagen erfüllen, das führe dazu, dass jährlich nur rund 10.000 Tiere als Rassehunde eingetragen werden. Als Beispiel führte Wolf die derzeit sehr beliebten französischen Bulldoggen an. Trotz der weiten Verbreitung seien nur 30 bis 40 Tiere als Rassehunde eingetragen. Beim Großteil der als Rassehunde angebotenen Hunde handle es sich nur um so genannte „Lookalikes“, diese würden den KundInnen oft mit gefälschten Papieren und bereits krank geliefert. In der Pandemie habe sich dieses Problem noch verschärft. Wolf verwies auf einen bereits bestehenden umfassenden Katalog von Zuchtstandards hin, der Qualzuchtmerkmale von Hunden ausschließe. Wichtig wäre es jedoch, diesen mit Leben zu erfüllen. KonsumentInnen müssten bei der Anschaffung von Hunden wissen, woher das Tier komme. Grundlegend sei aus ihrer Sicht zu überlegen, wer künftig Tiere züchten und importieren dürfe, auch wenn das unter den Bedingungen des Binnenmarktes schwer zu regeln sei, meinte Wolf.

Zollitsch: Tierwohl in der Nutztierhaltung braucht Standards

Universitätsprofessor Werner Zollitsch thematisierte das Thema der Nachhaltigkeit in der Nutztierhaltung. Grundsätzlich müsse die Haltungsform die Grundbedürfnisse der Tiere erfüllen. Er halte es dabei für entscheidend, auch die Mensch-Tier-Beziehung zu beachten. Was Qualzucht angehe, sei es bei Nutztieren eher schwierig abzuwägen, welche Zuchtmerkmale abzulehnen seien, da Hochleistungsrassen zwangsläufig auch ein erhöhtes Erkrankungsrisiko hätten. Bei Rindern und Schweinen sieht er hier Handlungsspielraum und es geschehe auch bereits etwas und Österreich habe eine gewisse Vorreiterrolle. Bei Hühnerrassen liege die Verantwortung bei wenigen internationalen Konzernen und es wäre schwierig, hier einzugreifen. Grundsätzlich dürften die Leistungsanforderungen von Tieren nicht noch erhöht werden.

Die Verbesserung von Tiertransporten wäre aus seiner Sicht technisch leicht umzusetzen. Um die Schlachtmethoden zu verbessern, müsste man vor allem die Betäubungsmethoden für Schlachttiere verbessern. Verbesserungen seien auch bei Kastrationen leicht durchführbar, meinte er. Was die Vermeidung der Tötung von männlichen Küken betreffe, so sehe er auch hier bereits Möglichkeiten einer Verbesserung. Die Herausforderung für den Umbau des Fördersystems sei, hier ein praktikables Niveau des Tierwohls festzulegen, hier sei der Gesetzgeber gefordert. Das gelte aus seiner Sicht auch für die Festlegung von Kontrollen. Eine Transformation der Tierhaltung brauche aus seiner Sicht entsprechende Übergangsfristen, um den LandwirtInnen Berechenbarkeit zu geben. Nicht im Sinne der Tiere wäre es, wenn es zu einer Substituierung der Inlandsproduktion durch Importe kommen sollte.

Bundesminister Mückstein: Gesundheitsressort plant zahlreiche Maßnahmen für Tierwohl

Das Anliegen des Volksbegehrens, Tierleid zu beenden und Alternativen aufzuzeigen, wertete Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein als positiv. Die Forderung nach Alternativen und die angebotenen Lösungen zeigten, dass Tierschutz ein komplexes Thema sei und in alle Lebensbereiche integriert werden müsse. Vor allem müsse die Landwirtschaft unterstützt werden. Sein Ressort widme dem Tierschutz hohe Aufmerksamkeit, betonte Mückstein. Der Tierschutzbeirat sichere eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Tierschutzstandards. Viele Themen seien jedoch weiterhin ungelöst. Daher begrüße er die Beratungen zum Volksbegehren, er sehe sie als Unterstützung der Arbeit seines Ressorts.

Unter seinem Vorgänger Rudolf Anschober sei bereits eine Novellierung des Tiertransportgesetzes begonnen worden, sagte der Minister. Hier müsse der rechtliche Rahmen verbessert werden. Auch in der Nutztierhaltung, insbesondere der Schweinehaltung, bestehe Handlungsbedarf. Hier habe sein Ressort bereits wichtige Schritte gesetzt, eine weitere Überarbeitung der Haltungsstandards für Muttersauen und Ferkel sei in Vorbereitung. Die Gespräche mit der Geflügelbranche stimmten ihn zuversichtlich, dass die Tötung von männlichen Küken beendet werden könne, teilte Mückstein mit. Derzeit gebe es auch Gespräche, wie gegen Qualzucht vorgegangen werden könne. Im Gespräch sei auch ein europaweites Verbot der Pelztierhaltung. Gearbeitet werde auch an Verordnungen, um die Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln um die Haltungsform zu erweitern. Das erfordere aber einen gesamteuropäischen Rechtsrahmen. Weitere Schritte wolle sein Ressort zudem gegen den illegalen Welpenhandel setzen. Auch die Frage der Haltung von Heimtieren werde eingehend betrachtet. (Fortsetzung Gesundheitsausschuss) sox


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