ExpertInnen: Verbot der Direktvergabe „Gold-Plating im schlechtesten Sinn“ – Wirtschaftswissenschaftlich betrachtet: Wahlfreiheit sollte man beibehalten
Wien (OTS) – „Dieser Wahnsinnsangriff der ÖVP auf die Bahnen, dass die Direktvergabe von Verkehrsdienstleistungen verboten werden soll, muss gestoppt werden“, forderte Vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit bei der Diskussion im Rahmen der Bahnenquete im SPÖ-Parlamentsklub. Deshalb gibt es auch die Kampagne https://bahninrotweissrot.at/, damit die „Bahnen zur Identität des Landes werden“, appellierte Hebenstreit an alle, die Kampagne zu unterstützen. Verkehrsminister Jörg Leichtfried fügte hinzu, dass sich „Österreich aus gutem Grund in Brüssel dafür eingesetzt hat, dass wir unser Erfolgsmodell, das wir schon praktiziert haben, fortsetzen können. Das war ein harter Kampf, den wir gewonnen haben. Das lassen wir uns jetzt nicht von ÖVP-Politikern wegnehmen.“ Man könne jetzt sehr deutlich sehen, wo es die erfolgreichsten Bahnen gebe und in welchen Ländern es durch Liberalisierung und Privatisierung mit dem öffentlichen Verkehr den Bach hinuntergehe. ****
Silvia Leodolter von der Arbeiterkammer Wien betonte, dass es bei der Aufrechterhaltung der Direktvergabe nicht nur um die ÖBB gehe, sondern auch um alle andere österreichischen Bahnen, die auch – mit einer einzigen Ausnahme – mit Direktvergabe unterwegs sind. Im Eisenbahnverkehr sei die Direktvergabe das einzige Modell, das funktioniere, weil hier die Fahrgäste, die PendlerInnen und die Beschäftigten im Fokus sind. Denn bei einer Ausschreibung gehe es nur um Personal, Sicherheit und Gewinne des Unternehmens. Die Gewinne sollen in Österreich den österreichischen SteuerzahlerInnen bleiben und nicht bei ausländischen Unternehmen landen, so Leodolter. Bei den Beschäftigten führe dies, man sehe das im Busverkehr, wo man durch EU-Vorgabe zur Ausschreibung verpflichtet ist, zu einer Lohnspirale nach unten.
Zwtl.: Verbot der Direktvergabe wäre „Gold-Plating im schlechtesten Sinn“
Heidrun Maier-Dekruijff ist Expertin vom Verband der öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft. Sie sagt, dass der europäische Gesetzgeber mit dem 4. Eisenbahnpaket zwei wesentliche Feststellungen getroffen hat: Die Staaten können es sich aussuchen, ob sie Verkehrsdienste direkt vergeben oder ausschreiben. Und es gibt keinen Zwang, vertikal integrierte Unternehmen – und das sind praktisch alle erfolgreichen Bahnen in Europa – zu zerschlagen. Das Entflechten sei lange Zeit als Patentrezept für mehr Wettbewerb angesehen worden. Dabei zeigt die empirische Evidenz das Gegenteil. Maier-Dekruijff nannte das Beispiel Frankreich, wo man aus ganz pragmatischen Effizienzgründen, die Trennung von Infrastruktur und Betrieb wieder rückgängig gemacht hat.
Und sie stellte klar, dass das 4. Eisenbahnpaket beim Thema Direktvergabe ganz eindeutig sei. „Das ist weiter möglich.“ Deshalb kann die Expertin nicht nachvollziehen, „warum man sich selber das Leben schwerer macht als man müsste.“ Ein Verbot der Direktvergabe sieht sie als „Gold-Plating im schlechtesten Sinn“. Letztlich würde sich bei einem Ausschreibungszwang europaweit die großen Staatsbahnen Deutschlands und Frankreichs den Markt aufteilen. Sie betont: „Die Wahlfreiheit, für die wir jahrelang gestritten haben, müssen wir erhalten.“
Zwtl.: Wirtschaftswissenschaftlich betrachtet: „Wahlfreiheit sollte man beibehalten, alles andere wäre wenig fundierter Dogmatismus“
Jakob Kapeller, Vorstand des Forschungsinstituts für die Gesamtanalyse der Wirtschaft an der Johannes Kepler Universität Linz, hat die Frage, ob aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht eine Variante – ausschreiben oder direkt vergeben – überlegen sei, beantwortet: Nein bzw. es kommt auf den jeweiligen Markt an. Unter den Modellannahmen: sehr viele Marktteilnehmer, vollständige Information, vollkommene Konkurrenz, seien wettbewerbliche Vergaben sicher richtig. Nur das seien ganz und gar nicht die Bedingungen im öffentlichen Verkehr.
Früher hätte man sich die Sache leichter gemacht, indem man sagt, das ist ein natürliches Monopol und sollte gemeinwirtschaftlich organisiert werden. Da sich allerdings eine Marktdogmatik durchgesetzt habe, also die Ansicht, es müsse immer Wettbewerb sein, „sucht man Substitut für den Markt – Auktionen und Ausschreibungen“. Hier gehe es allerdings nicht um Wettbewerb am Markt, sondern um „Wettbewerb um den Markt“, erläuterte Kapeller. Dabei ließen sich mit der ökonomischen Standardtheorie für so komplexe Leistungen, wie es eben öffentliche Verkehre sind, keine Effizienzvorteile von Ausschreibungen erkennen.
Im Gegenteil: Bei komplexen Leistungen seien Verhandlungslösungen besser, erläutert der Wirtschaftsprofessor. „Verhandlungsprozesse, wie bei der Direktvergabe, haben einen Eigenwert, die Entscheidungs- und Leistungsqualität wird besser.“ Das ergebe sich sowohl aus der Theorie und zeige sich auch empirisch, so Kapeller. Eine unmittelbare praktische Konsequenz daraus: „Wahlfreiheit sollte man beibehalten, alles andere wäre wenig fundierter Dogmatismus.“ (Schluss) sl/wf
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