Semmering-Basistunnel: Ein Desaster für die Natur und Steuerzahler

Kostensteigerung nahezu so hoch wie ursprüngliche Gesamtkosten

Wien (OTS) Schon in den frühen 1990er Jahren warnte die Natur- und Landschaftsschutzorganisation „Alliance For Nature“ vor Beeinträchtigungen des natürlichen Wasserhaushaltes der mehrfach geschützten Semmering-Region (Quellschutz-, Landschaftsschutz-, Natura-2000- und Europaschutz- sowie UNESCO-Welterbe-Gebiet) durch den Bau des umstrittenen Semmering-Basistunnels.

Als einzige Umweltorganisation beteiligte sich „Alliance For Nature“ am Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren und brachte im Laufe der Jahre Einwendungen, Beschwerden und Revisionen ein. Bei kaum einem anderen Großbauvorhaben in Österreich wurden deshalb derart viele Bewilligungsbescheide wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben wie bei diesem Milliardenprojekt.

Dennoch wurde der zweiröhrige Tunnelbau von mehreren Stellen aus (Gloggnitz, Göstritz, Fröschnitzgraben, Gautschenhof, Mürzzuschlag) in Angriff genommen.

Erd- und Wassereinbrüche

Zu Ostern 2019 kam es zum ersten Wassereinbruch im Gemeindegebiet von Aue bei Gloggnitz (Niederösterreich) mit Einsturz der Erdoberfläche, wodurch sich ein Krater mitten in einem Waldstück – nur 200 Meter von den nächstgelegenen Häusern entfernt – bildete.

Im Juli 2019 erfolgte der zweite Wasser- und Erdmasseneinbruch – diesmal beim Zwischenangriff Göstritz (Niederösterreich), wodurch es zu einer massiven Überflutung eines Tunnelabschnittes und weitverbreitenden Verunreinigung der umliegenden Gewässer (Göstritzbach, Auebach, Schwarza) im Bezirk Neunkirchen kam.

Im Sommer 2020 kam es abermals zu einem massiven Wassereinbruch (siehe Video).

Anhand dieses Videos erstellte Prof. Dr. Josef Lueger (Gerichtssachverständige für Geologie, Mineralogie, Bodenschutz und Grundwasser) eine ingenieurgeologische Stellungnahme mit folgenden Aussagen:

„Die mit dem Tunnelbau einhergehenden Bergwasserausleitungen ziehen weitreichende Beeinträchtigungen des Wasserhaushaltes nach sich.

Projektgemäß ist geplant, den Bergwasserspiegel um einige bis mehrere hundert Meter bis auf das Tunnelniveau abzusenken und die zutretenden Bergwässer in die Schwarza und den Fröschnitzbach auszuleiten.

Die geplanten Tunnelabdichtungen sind außerstande, den natürlichen Grundwasserspiegel aufrecht zu erhalten. Sie dienen lediglich dazu, die Baustelle soweit von Wasser freizuhalten, dass ein Tunnelvortrieb möglich ist.

Im natürlichen Zustand fließt das Bergwasser nicht in den Tunnel, sondern tritt in Form von Quellen, Bächen und Feuchtgebieten zutage. Die Ausleitung der Bergwässer aus dem Tunnel bewirkt eine Absenkung des Grundwasserspiegels bis in einige Kilometer Entfernung vom Tunnel. Wenn der Grundwasserspiegel abfällt, versiegen Quellen und Feuchtgebiete verschwinden. Auch Oberläufe von Bächen fallen trocken. Im Mittel- und Unterlauf geht die Wassermenge zurück, Brunnen versiegen.

Das Verschwinden von Oberflächengewässern hat vielfältige Auswirkungen auf die davon abhängigen Lebensräume. Viele Pflanzen und Tiere sind davon betroffen. Der Verlust des Lebenselements Wasser kann ganze Lebensgemeinschaften zum Absterben bringen.

Die von den Projektanten nicht vorhergesehenen Wassereinbrüche stellen für die vor Ort befindlichen Mineure eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben dar. Diese Gefahr resultiert weniger aus den zutretenden Wassermengen, sondern in erster Linie aus nachbrechenden Gesteinsmassen, die eventuell Menschen verschütten können.“

„Alliance For Nature“ fordert Baustopp und politische Absage

„Wieviele Wassereinbrüche müssen noch stattfinden, bis die Verantwortlichen endlich zur Besinnung kommen und begreifen, dass der Natur mit dem Tunnelbau ein unheilvoller Schaden zugefügt wird?“, fragt sich Alliance-Generalsekretär Christian Schuhböck: „Müssen tatsächlich erst Todesopfer beklagt werden, bis der Bau des umstrittenen Tunnelprojektes eingestellt wird?“

Die Umweltorganisation „Alliance For Nature“ fordert abermals den Baustopp des Tunnelprojektes und dessen politische Absage – ähnlich, wie dies beim vorhergehenden Semmering-Basistunnel-Projekt geschehen ist, bei dessen Bau der gesamte Stollen aufgrund eines Wassereinbruchs überflutet wurde.

„Alliance For Nature“ fordert Eintragung der Semmeringbahn in die Rote Liste gefährdeter Welterbestätten

Denn das ursprünglich 8.861 Hektar große Welterbe-Gebiet wurde zugunsten des umstrittenen Semmering-Basistunnels (einseitig seitens der Republik Österreich) auf eine Fläche von 156 Hektar verkleinert. Normalerweise hätte es gemäß § 165 der UNESCO-Welterbe-Richtlinien zu einer Neuanmeldung kommen müssen. Doch diese ist bis heute nicht geschehen.

Millionen Liter frischen Quellwassers werden täglich dem natürlichen Wasserhaushalt entzogen. Dennoch sehen die Verantwortlichen tatenlos zu, wie diese UNESCO-Welterbestätte einem umstrittenen Milliardenprojekt der Bauindustrie geopfert wird.

Kostensteigerung nahezu so hoch wie ursprüngliche Gesamtkosten

Die von den ÖBB genannte Kostensteigerung um 11% erhöht die Gesamtkosten auf 3,5 Milliarden Euro. Alleine diese zusätzlichen Kosten von rund 350 Millionen Euro entsprechen nahezu jenen Kosten, die im Jahr 1993 beim Baubeschluss dem Gesamtprojekt zugrunde gelegt wurden. Denn die Wirtschaftlichkeitsstudie der PROGNOS AG ist von Gesamtkosten in Höhe von 5,6 Milliarden Schilling (= rund 400 Millionen Euro) ausgegangen. Selbst zu den damals ermittelten Kosten hat der Österreichische Rechnungshof im Jahr 1998 die Wirtschaftlichkeit des Projektes bezweifelt. Der Tunnelbau zu den jetzt angegebenen Kosten ist somit ein finanzielles Fiasko größten Ausmaßes.

Alle Argumente der Projektbefürworter sind mittlerweile mehrfach widerlegt: Die mögliche Zeitersparnis für den Personenverkehr wurde um rund ein Drittel überschätzt. Der angebliche Kapazitätsengpass, der bereits vor eineinhalb Jahrzehnten zu einer Überlastung des bestehenden Netzes führen hätte sollen, ist weiterhin nicht in Sicht, da die Entwicklung des Güterverkehrs und des Personenverkehrs auf der Schiene weit unter den Prognosedaten geblieben ist und seit mehr als einem Jahrzehnt überhaupt stagniert. Die angebliche Notwendigkeit für ein europäisches Schienennetz wurde von zwei Berichten des Europäischen Rechnungshofs (2018/2020) zerpflückt: „Es handelt sich bei vielen Projekten um einen unrealistischen Fleckerlteppich …“.

Rückfragen & Kontakt:

Alliance For Nature
A-1160 Wien, Thaliastraße 7
Tel.: +43 676 419 49 19
Email: office@AllianceForNature.at
Website: www.AllianceForNature.at

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