Schönborn und Bischofskonferenz warnen vor „Sicherungshaft“

Vorsitzender und Generalsekretär der Bischofskonferenz kritisieren Vorstoß von Innenminister Kickl – Schipka: Vorgeschlagenes Modell wäre „Anschlag auf eines der ältesten und grundlegendsten Menschenrechte“

Wien (KAP) Kardinal Christoph Schönborn und die Österreichische Bischofskonferenz wenden sich entschieden gegen politische Pläne zur Einführung einer „Sicherungshaft“ und warnen vor unabsehbaren Folgen für die grundrechtlich garantierte persönliche Freiheit.

„Wenn wir uns einmal daran gewöhnen, dass Menschen im Vorhinein ‚vorsorglich‘ eingesperrt werden können, wohin führt das?“, fragte der Kardinal besorgt in seiner Kolumne in der Zeitung „Heute“ am Freitag. Österreich sei „einer der besten Rechtsstaaten der Welt“ und eines der sichersten Länder weltweit. Schönborn wörtlich: „In allen Diktaturen der Welt werden Menschen aus bloßem Misstrauen in Haft genommen. Morgen könnte es auch dich und mich treffen. Soweit darf es nicht kommen!“

Skeptisch zeigte sich der Kardinal, dass der Vorschlag von Innenminister Herbert Kickl, eine „Sicherungshaft“ einzuführen, lediglich auf Asylwerber beschränkt sei. Wenn das Kriterium für die präventive Haft „Gefährlichkeit“ sei, dann treffe das auch auf „Inländer“ zu. Seine Ablehnung der „Sicherungshaft“ begründet der Wiener Erzbischof zudem damit, dass man Personen bloß zutraut, was sie vielleicht irgendwann einmal tun könnten. „Wer entscheidet darüber, ob jemand einmal gefährlich werden kann?“, fragte der Kardinal und schrieb: „Kein Psychiater kann mit Sicherheit voraussagen, ob jemand tatsächlich ein Verbrechen begehen wird. Genügt es, wenn jemand seinen Nachbarn für gefährlich hält, um ihn zur Sicherheit hinter Gitter bringen zu lassen?“

„Anschlag auf eines der ältesten Menschenrechte“

Namens der Österreichischen Bischofskonferenz bekräftigte deren Generalsekretär, Peter Schipka, die Bedenken des Kardinals gegen politische Pläne zur Einführung einer „Sicherungshaft“ und warnte vor „unabsehbaren Folgen auf die grundrechtlich garantierte persönliche Freiheit“. „Das präventive Einsperren von Menschen auf unbestimmte Zeit aufgrund einer angenommenen ‚allgemeinen Gefährlichkeit‘ ohne vorherige richterliche Anordnung steht im Gegensatz zur Verfassung und zu den Menschenrechten“, wies Schipka am Freitag im Interview mit „Kathpress“ hin. Er wandte sich damit explizit gegen den jüngsten Vorstoß von Innenminister Kickl, der sich für eine „Sicherungshaft“ für Asylwerber ausgesprochen hat, ohne dabei den „Umweg über das Gericht“ gehen zu müssen.

Die Bischofskonferenz wolle bewusst am Beginn einer Debatte, bei der noch kein Gesetzesvorschlag vorliegt, klarmachen, dass das inzwischen von mehreren Spitzenpolitikern diskutierte Modell einer „Sicherungshaft“ ein „Anschlag auf eines der ältesten und grundlegendsten Menschenrechte“ wäre. „Dem muss rasch und klar Einhalt geboten werden.“ Aus gutem Grund sei die persönliche Freiheit in Österreich sowohl aufgrund von Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK – Recht auf Freiheit und Sicherheit) als auch durch das Verfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit doppelt verfassungsrechtlich geschützt. „Eine Präventivhaft ohne angemessene richterliche Kontrolle würde gegen die Menschenrechtskonvention und gegen ein Verfassungsgesetz verstoßen“, betonte Schipka.

Zudem sei es sehr unwahrscheinlich, dass man eine „Sicherungshaft“ nur auf eine Personengruppe wie beispielsweise Asylwerber beschränken könne. Schipka verwies in diesem Zusammenhang auf das in Artikel 14 der EMRK enthaltene Diskriminierungsverbot. Der Vorschlag des Innenministers, die derzeit bestehenden verfassungsrechtlichen Grenzen gegen eine „Sicherungshaft“ durch ein neues Verfassungsgesetz aufzuheben, könnte einen „grundrechtlichen Dammbruch“ auslösen.

Kickl hatte in diesem Zusammenhang eine Verfassungsbestimmung mit der abstrakten Angabe von Haftgründen vorgeschlagen, die dann durch ein einfaches Gesetz auf Asylwerber hin konkretisiert werden sollten. Schipka dazu: „Wenn dieser Plan umgesetzt wird, bräuchte man künftig für eine Ausweitung der Sicherungshaft von der Gruppe der Asylwerber auf alle Personen keine Verfassungsmehrheit mehr, sondern es würde eine einfache Mehrheit jederzeit genügen.“ Man müsse nicht 80 Jahre zurückgehen, sondern nur an noch immer bestehende diktatorische oder totalitäre Regime denken, um zu erahnen, welche Gefahren aus dem Projekt „Sicherungshaft“ entstehen könnten.

Das Recht auf richterliche Haftprüfung sei zudem eines der am längsten anerkannten Menschenrechte. In diesem Zusammenhang verwies der Generalsekretär der Bischofskonferenz auf den englischen „Habeas Corpus Act“ aus dem Jahr 1679. Das darin festgeschrieben Recht Verhafteter auf unverzügliche gerichtliche Haftprüfung sei ein elementarer Schritt zum Rechtsstaat gewesen. „Die 1862 erlassenen Gesetze zum Schutz der persönlichen Freiheit und des Hausrechts gelten als erste Grundrechtsgewährungen auf dem Gebiet des heutigen Österreich. Das macht den Stellenwert dieses Grundrechts deutlich, das auf keinen Fall in Frage gestellt werden darf“, betonte Schipka namens der Bischofskonferenz.

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