Satirische Beiträge über Christian Kern kein Ethikverstoß

Wien (OTS) - Der Senat 2 des Presserats beschäftigte sich mit den Beiträgen „Der Kanzler crasht oe24.TV-Interview“ und „Kanzler-Frau inszeniert sich in Video als ‚Opfer‘“, erschienen am 22.09. bzw am 05.10.2017 auf „oe24.at“. Der Senat stellte keinen Ethikverstoß fest und stellte das Verfahren ein.

Im ersten Beitrag wird berichtet, dass Bundeskanzler Kern nach der Veröffentlichung eines „SPÖ-internen ‚Geheim Papiers‘“ über ihn ein mit oe24-TV vereinbartes Interview abgesagt habe. Die Leser auf der oe24-Facebook Seite und auf „oe24.at“ reagierten darauf empört und belustigt, einige „mit lustigen Memes“. Im Anschluss daran sind drei Beispiele solcher Memes angeführt. Das erste Meme zeigt Kern als Prinzessin, das zweite besteht aus zwei Fotoausschnitten, von denen der linke Kern mit einem Kind auf dem Arm und einer hineinretuschierten Krone zeigt, der rechte den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-Un, ebenfalls mit einem Kind auf dem Arm. Das dritte Meme zeigt ein Bild von Kern mit dem Schriftzug „Mimosen-Kanzler klagt Sebastian“. Im Beitrag „Kanzler-Frau inszeniert sich als ‚Opfer‘“ wird berichtet, das sich nun auch „Kanzler-Ehefrau Evelin Steinberger-Kern“ mit einem Video auf Facebook zu Wort melde. Im Artikel wird sie damit zitiert, dass ihr das „Bashing“ gegen ihre Person nahegehe, und dass das, was sie in den vergangenen Tagen erlebt habe, beispiellos sei. Sie habe es nie für möglich gehalten, „dass Politik und Medien so vernichtend sein können.“ Sogar ihre 89-jährige Schwiegermutter habe geweint. Laut dem Artikel gebe es auf Facebook aber „auch viel Kritik am ‚inszenierten‘ Video der Kanzler Gattin“, z.B. dass sie „den Text von einem Teleprompter ablesen“ und versuchen würde, „die ‚Opfer-Rolle‘ zu spielen.“ Zusätzlich werden einige offenbar auf Facebook gepostete Userbeiträge veröffentlicht, in denen das Verhalten der Ehefrau des Bundeskanzlers kritisiert wird. Zum Artikel wurde auch das Video von Frau Steinberger-Kern veröffentlicht.

Eine Leserin kritisiert, dass unter dem Deckmantel der Pressefreiheit Christian Kern und seine Frau diffamiert und beleidigt würden.

Der Senat hält zunächst fest, dass Politiker grundsätzlich weniger Persönlichkeitsschutz genießen als Privatpersonen. Politikerinnen und Politiker suchen bewusst die Öffentlichkeit. Jeder ihrer Auftritte steht unter genauer und kritischer Beobachtung. Als österreichischer Bundeskanzler und SPÖ-Parteivorsitzender nimmt Christian Kern in einer führenden Stellung am öffentlichen Leben teil und muss daher entsprechend viel Kritik aushalten. Der Artikel „Der Kanzler crasht oe24.TV-Interview“ ist zwar bewusst gegen Bundeskanzler Kern gerichtet und wohl eine Art „Gegenschlag“, weil Christian Kern wegen Berichten über ein SPÖ-internes E-Mail, in dem ihm negative Charaktereigenschaften zugeschrieben werden, eine Interviewsperre gegenüber der „Mediengruppe Österreich“ verhängt hat. Nach Ansicht des Senats bewegt sich der Artikel jedoch noch im Rahmen dessen, was sich ein Politiker gefallen lassen muss. Die dem Artikel angefügten Memes, in denen der Bundeskanzler als „Eitle Prinzessin“ und „Mimosen-Kanzler“ bezeichnet wird, haben nach Ansicht des Senats einen eindeutig satirischen Charakter; es wird darin auf die Beschreibung des Bundeskanzlers in dem SPÖ-internen E-Mail angespielt. Bei satirischen Beiträgen reicht die Meinungsäußerungsfreiheit weiter als bei einem neutralen Bericht. Verfremdungen, Sarkasmus und Übertreibungen sind für satirische Ausdrucksformen typisch, so der Senat. Der Inhalt des dritten Memes, in dem Bundeskanzler Kern und Kim Jong-un jeweils mit einem Kind auf dem Arm abgebildet sind, erscheint dem Senat mehrdeutig. Eine herabwürdigende Gleichstellung des Bundeskanzlers mit dem nordkoreanischen Diktator erkennt der Senat darin allerdings nicht.

Im Beitrag „Kanzler-Frau inszeniert sich als ‚Opfer‘“ werden keine Vorwürfe gegen die Ehefrau des Bundeskanzlers erhoben, sondern es wird lediglich über ein Video berichtet, mit dem sie auf diverse Vorwürfe reagiert hat, sowie über die Kritik an diesem Video. Im Artikel und in den wiedergegebenen Postings wird zwar kritisiert, dass Frau Steinberger-Kern sich als Opfer inszeniere, Beleidigungen gegenüber der Betroffenen werden jedoch nicht geäußert. Der Senat ist der Auffassung, dass diese Art der Kritik aus medienethischer Sicht unbedenklich ist. Zudem ist dem Beitrag das Video der Betroffenen vorangestellt. Dadurch können sich die Leser selbst ein Bild über das Video machen, das nicht nur in den sozialen Medien kontrovers diskutiert, sondern zum Teil auch von anderen Medien eher kritisch gesehen wurde. Im Gegensatz zu ihrem Ehemann ist Frau Steinberger-Kern zwar nicht politisch aktiv und genießt daher grundsätzlich mehr Persönlichkeitsschutz. Im konkreten Fall ist sie jedoch – im Zuge des Wahlkampfes ihres Mannes – selbst an die Öffentlichkeit herangetreten und darf deshalb auch stärker kritisiert werden.

Zusammenfassend hält der Senat fest, dass die beiden zu prüfenden Artikel keine Persönlichkeitsverletzungen iSd. Punkt 5 des Ehrenkodex sind. 

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINER LESERIN

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.Im vorliegenden Fall führte der Senat 2 des Presserats aufgrund einer Mitteilung einer Leserin ein selbstständiges Verfahren durch. In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin von „oe24.at“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht. Die Medieninhaberin von „oe24.at“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt.

Rückfragen & Kontakt:

Andreas Koller, Sprecher des Senats 2, Tel.: 01-53153-830



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