Rare Disease Day: Früherkennung von Muskelkrankheiten ausschlaggebend für Therapieerfolg und Lebensqualität

ExpertInnen klären über Symptome auf und fordern die Aufnahme von Spinaler Muskelatrophie (SMA) ins Neugeborenenscreening, um wichtige Therapiefenster nicht zu versäumen.

Je früher Eltern bei Verdacht auf Muskelerkrankung mit ihrem Kind einen neurologisch spezialisierten Kinderarzt aufsuchen, umso rascher kann mit einer individuellen Betreuung begonnen werden, die dazu beiträgt, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern

Prim. Univ.Prof. Dr. Günther Bernert, Präsident der Österreichischen Muskelforschung

Wir sind überzeugt, dass durch das Neugeborenenscreening und den unmittelbaren Beginn der Therapie bei vielen Kindern diese schwere Erkrankung deutlich erleichtert und im besten Fall vermieden werden kann. Die Sinnhaftigkeit eines Neugeborenenscreenings auf SMA ist auch in der internationalen Gemeinschaft völlig außer Zweifel

Prof. Dr. Wolfgang Müller-Felber, Ärztliche Leitung Motorik- und Metabolik-Haus am Klinikum der Universität München

Wien (OTS)

Früherkennung von Muskelerkrankungen für Therapieerfolg ausschlaggebend

In Österreich leben etwa 20.000 Menschen, die an einer unheilbaren Muskelerkrankung leiden. Mehr als die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche. Jede der einzelnen Muskelerkrankungen zählt zu den seltenen Erkrankungen. Die Diagnose Muskelerkrankung bedeutet häufig den zunehmenden Verlust der Mobilität, auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein und eine eingeschränkte Lebenserwartung. Wie bei den meisten anderen seltenen Erkrankungen ist es für die Eltern ein langer Leidensweg, bis bei ihrem Kind die Diagnose gestellt wird. „Je früher Eltern bei Verdacht auf Muskelerkrankung mit ihrem Kind einen neurologisch spezialisierten Kinderarzt aufsuchen, umso rascher kann mit einer individuellen Betreuung begonnen werden, die dazu beiträgt, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern“, sagt Neuropädiater Prim. Univ.Prof. Dr. Günther Bernert, Präsident der Österreichischen Muskelforschung. Neben medikamentösen, respiratorischen, kardialen, orthopädischen und rehabilitativen Maßnahmen stehen die ersten kausalen Therapien für die beiden häufigsten Muskelerkrankungen – Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) und Spinale Muskelatrophie (SMA) – zur Verfügung, weitere werden in absehbarer Zeit folgen. Damit kommt der Früherkennung noch mehr Bedeutung zu als bisher, gilt es doch, wertvolle Therapiefenster nicht zu versäumen.

Erste kausale Therapieerfolge bei neuromuskulären Erkrankungen

Die häufigste Muskelerkrankung ist die Erbkrankheit Duchenne-Muskeldystrophie (DMD), von der in der Regel nur Buben betroffen sind (einer von 3.600 – 6.000 Neugeborenen). Den betroffenen Kindern fehlt ein funktionsfähiges Muskeleiweiß namens „Dystrophin“. Frühe unspezifische Symptome von DMD treten bereits im Kleinkindalter auf. Ab etwa dem dritten Lebensjahr zeigen sich bei DMD erste spezifische muskuläre Symptome wie häufiges Stolpern und Niederfallen, Schwierigkeiten beim Laufen und Stiegen Steigen, Schwierigkeiten beim Aufstehen vom Boden und ein „watschelnder“ Gang. Die Diagnose DMD bedeutet etwa ab dem zehnten Lebensjahr ein Leben im Rollstuhl mit einer Lebenserwartung von 20 bis 30 Jahren. Seit Ende 2014 gibt es in Europa erstmalig auch eine kausale Therapie mit dem Wirkstoff Ataluren für eine Untergruppe von 10-13% der DMD Patienten mit einer Nonsense-Mutation, die seit Juli 2018 für diese DMD Patienten bereits ab einem Alter von zwei Jahren zugelassen ist.

Spinale Muskelatrophie (SMA) ist die zweithäufigste Muskelerkrankung. Sie kann Mädchen und Buben betreffen. Etwa eines von 10.000 Neugeborenen ist von SMA betroffen, ca. 60% von der schwersten Erscheinungsform (SMA1), die die häufigste genetische Todesursache bei Säuglingen darstellt und in der Regel innerhalb der ersten zwei Lebensjahre zum Tod führt. Neben SMA Typ 1 gibt es noch zwei mildere Formen der Erkrankung.

Seit Juni 2017 ist für alle Formen und Schwergrade eine medikamentöse Therapie mit dem Wirkstoff Nusinersen weltweit zugelassen, die bei den bisher behandelten Patienten zu einer dramatischen Verbesserung der Lebenserwartung oder zumindest zu einer deutlichen Milderung des Krankheitsverlaufes geführt hat. Die Therapie ist von der Verabreichung her aufwendig und muss lebenslang gegeben werden. Für die Wirksamkeit ist ein frühestmöglicher Therapiebeginn bereits im Säuglings- bzw. Kleinkindalter von Bedeutung. Dies gilt im Speziellen auch für Therapien wie Exon-Skipping und Genersatztherapien, die in den USA bereits zugelassen sind, in Europa jedoch noch auf die Zulassung warten.

Aufnahme von SMA ins Neugeborenenscreening soll noch dieses Jahr erfolgen

Einen frühestmöglichen Hinweis auf Spinale Muskelatrophie (SMA) könnte das Screening bei Neugeborenen bringen. „Wir fordern daher die Aufnahme von SMA ins Neugeborenenscreening“ so Bernert und verweist auf die Erfolge eines entsprechenden Pilotprojekts in Deutschland. Dort wurden bisher knapp 300.000 Säuglinge gescreent. Bei 42 von ihnen wurden genetische Veränderungen erhoben, die einen Beweis auf das Vorliegen von SMA ergeben haben. Bei Kindern, die zum Zeitpunkt des Screenings noch asymptomatisch waren, und bei denen mit der Behandlung früh begonnen wurde, konnte gezeigt werden, dass diese Kinder sich vollkommen normal entwickelten.

„Wir sind überzeugt, dass durch das Neugeborenenscreening und den unmittelbaren Beginn der Therapie bei vielen Kindern diese schwere Erkrankung deutlich erleichtert und im besten Fall vermieden werden kann. Die Sinnhaftigkeit eines Neugeborenenscreenings auf SMA ist auch in der internationalen Gemeinschaft völlig außer Zweifel“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Wolfgang Müller-Felber.

„Für Österreich wurde die für das Neugeborenenscreening eingesetzte Arbeitsgruppe im Gesundheitsministerium bereits aktiv. Eine Implementierung des Screenings für SMA, zunächst als Pilotprojekt, soll noch dieses Jahr erfolgen“, erklärt Bernert die aktuelle Situation in Österreich.

Muskelforschungsstipendium für Nischenforschungsprojekte

Mit Unterstützung des Harley-Davidson Charity-Fonds lobt die Österreichische Muskelforschung jedes Jahr ein Forschungsstipendium für junge Forschungsteams aus, die im Bereich der neuromuskulären Erkrankungen forschen. Dieses mit 30.000 Euro dotierte Stipendium soll vor allem „Nischenforschung“ unterstützen und wurde bisher an zwei Projekt an der Medizinischen Universität Wien vergeben. Bewerbungen sind aktuell über die Homepage der Muskelforschung möglich: www.muskelforschung.at

Rückfragen & Kontakt:

Verena Bittner-Call
Öffentlichkeitsarbeit
Österreichische Muskelforschung
+436507101371
v.bittner@muskelforschung.at
www.muskelforschung.at



Quelle

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