profil: Helga Kinsky-Pollak, eine der letzten Zeitzeuginnen in Österreich, ist tot

Mit ihren Tagebüchern aus Theresienstadt hinterlässt sie ein einzigartiges persönliches und historisches Dokument

Wien (OTS) Wie viele Überlebende konnte Helga Pollak-Kinsky lange nicht über Theresienstadt und Auschwitz reden. Doch als sie damit anfing, wurde sie zu einer der wichtigsten Zeitzeuginnen. Und eine der letzten in Österreich.

Die Welt, in die sie 1930 hineingeboren wurde, war von Kunst und Kultur geprägt. Ihr Vater, Otto Pollak, führte in der Mariahilfer Straße in Wien das Konzertcafé Palmhof. Der Operettenkomponist Franz Léhar, der Sänger Richard Tauber, die Schauspieler Hans Moser, Fritz Imhof und Hans Thimig verkehrten hier. Helgas Mutter entkam dem NS-Terror im März 1938 nach Großbritannien. Ihre Tochter sollte ihr nachfolgen. Doch als sie die Papiere für den Kindertransport beisammen hatte, waren die Grenzen bereits dicht. Am 23. Jänner 1943 trafen Otto und Helga Pollak in Theresienstadt ein. Ihr Vater wurde ins Invalidenheim L 231 gebracht, sie ins Mädchenheim L 410, wo sie zwei Jahre lang Tagebuch führte. Die Aufzeichnungen sind ein Geschenk an die Nachwelt, das sich – mit dem Tagebuch der Anne Frank – von vielen Erinnerungen abhebt, die großteils nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes verfasst wurden.

15.000 Kinder lebten zwischen 1941 und 1945 im Ghetto. Über 14.000 von ihnen kamen ums Leben. Im Oktober 1944 stand Helga Pollak auf der Liste für den Transport in das KZ Auschwitz. Sie wurde zur Zwangsarbeit in eine Munitionsfabrik beordert. Das rettete ihr das Leben. Im April 1945 kam sie nach Theresienstadt zurück. Von 55 Kindern, die durch das Zimmer 28 des Mädchenheims gegangen waren, erlebten nur 15 das Ende des Krieges. Auch ihr Vater überlebte. 1946 traf Helga Pollak in England ihre Mutter wieder. Hier holte sie das Abitur nach und heiratete 1951 den aus Ostpreußen stammenden Emigranten Gerhard Kinsky. Mit ihm ging sie nach Bangkok und später nach Addis Abeba.

1957 kehrte sie mit ihrem Mann und ihren Kindern in ein Österreich zurück, das von seiner Vergangenheit nichts mehr wissen wollte. Die amerikanische Filmemacherin Zuzana Justman stützte den Film Terezín Diary (1989) und die mit einem Emmy ausgezeichnete Theresienstadt-Dokumentation „Voices of the Children“ (1997) auf die Tagebücher des Mädchens. Anfang der 1990er-Jahre begann Pollak-Kinsky, sich mit anderen Überlebenden zu treffen. Daraus entstand 2004 das von Hannelore Brenner-Wonschick im Droemer Verlag herausgegebene Buch „Die Mädchen von Zimmer 28“. Der deutsche Bundestag widmete ihnen eine Ausstellung. Zehn Jahre später folgte das „Theresienstädter Tagebuch 1943-1944“ (Edition Room 28). Deutschland zeichnete Helga Pollack-Kinsky 2013 für ihre Erinnerungsarbeit mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande aus. Im Jahr darauf sprach sie vor den Vereinten Nationen bei der Holocaust-Gedenkfeier in Genf. 2015 war sie eine von 19 Überlebenden des KZ Auschwitz, die in der Spiegel-Reportage „Die letzten Zeugen“ gewürdigt wurden. Das offizielle Österreich nahm erst spät von ihr Notiz. Im April 2016 wurde sie mit dem Goldenen Verdienstzeichen des Landes Wien ausgezeichnet.

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