Politik am Ring: Ist die Terror-Bekämpfung in Österreich am richtigen Weg?

SicherheitssprecherInnen diskutieren über Anti-Terror-Paket und BVT-Reform

Wien (PK) Mit dem Anschlag in Wien, am 2. November 2020, hat der islamistische Terror Österreich erreicht. Die Bundesregierung reagierte mit einem neuen Terror-Bekämpfungs-Gesetz. Bietet das Terror-Bekämpfungs-Gesetz einen besseren Schutz vor weiteren Anschlägen oder handelt es sich um Anlassgesetzgebung? Darüber diskutierten gestern Abend in der Internet-TV-Sendung des Parlaments Politik am Ring die SicherheitsprecherInnen der fünf Parlamentsfraktionen. Als ExpertInnen waren am Diskussionstisch Nicolas Stockhammer vom Institut für Rechtsphilosophie an der Universität Wien und Sabine Matejka, Präsidentin der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter.

Mahrer (ÖVP) sieht im Antiterrorpaket viele Möglichkeiten zur Terrorismusbekämpfung

„Die Politik muss aus Geschehnissen lernen können, rasch reagieren und Verbesserungspotenziale suchen“, sagte Karl Mahrer, Sicherheitssprecher der ÖVP. „Die Politik hat auch vorauszudenken, daher enthält das Antiterrorpaket jetzt viele Maßnahmen, mit denen wir den religiös motivierten Terrorismus bekämpfen können.“ Der Terroranschlag vom 2. November 2020 hätte jedoch auch durch das Anti-Terror-Paket nicht verhindert werden können, denn weder eine Organisation noch ein Gesetz könnten einen solchen Vorfall niemals ausschließen.

Ausgewogenheit sei das „Maß aller Dinge“; ein Kontrollgremium müsse daher weisungsfrei und unabhängig sein, parlamentarische Kontrolle sei selbstverständlich. Vernetzung sei das Zauberwort. Die Welten von Grün und ÖVP hätten sich im Antiterrorpaket sehr gut ergänzt, zeigte sich Mahrer zufrieden.

Einwallner (SPÖ): Austausch von Informationen wichtiger als neues Gesetz

Reinhold Einwallner (SPÖ) wies darauf hin, dass im Untersuchungsbericht zum Terroranschlag festgehalten sei, dass es rechtlich keinen Handlungsbedarf gebe. „In Österreich fehlt eine gesamtstaatliche Struktur mit jemandem, der den Nachrichtendienst koordiniert“, sagte Einwallner. Die drei Nachrichtendienste kooperierten nicht miteinander und tauschten Informationen nicht aus. Darin sehe Einwallner „akuten politischen Handlungsbedarf“. Wichtig für die SPÖ wäre laut Einwallner eine scharfe Trennung zwischen Nachrichtendienst und polizeilichen Ermittlungen.

Die im Anti-Terror-Paket vorgesehenen Fallkonferenzen seien zwar positiv, aber es fehle an Maßnahmen zur Deradikalisierung, betonte Einwallner. Es gebe in Österreich keinen Mangel an repressiven Gesetzen und polizeilichen Befugnissen, sondern es fehlten finanzielle und personelle Ressourcen für die Prävention, sagte Einwallner.

Amesbauer (FPÖ): Das Maßnahmenpaket ist Kosmetik, ein Ablenkungsmanöver

Für Hannes Amesbauer (FPÖ) wäre ein Verbotsgesetz gegen den politischen Islam wichtig. „Sinn und Begründung für das Maßnahmenpaket fehlen mir“, erklärte Amesbauer. „Es ist nichts als Kosmetik und ein Ablenkungsmanöver.“ Für Amesbauer gehen die geplanten Maßnahmen nicht weit genug. Er plädierte für die Aberkennung der Staatsbürgerschaft und den Einsatz der Fußfessel. Der Rechtsrahmen müsse ausgeschöpft werden und die Zuwanderung eingebremst.

Bürstmayr (Grüne): Untersuchungskommission war gute Vorgangsweise, mit Fehlern umzugehen

Georg Bürstmayr (Grüne) lobte die Arbeit der Untersuchungskommission zum Attentat vom 2. November 2020. „Es war gut, sich rasch für eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle zu entscheiden“, sagte er. Die Empfehlungen für die Behebung der aufgezeigten strukturellen Mängel seien eine Richtschnur für die weitere politische Vorgangsweise.

Klärungsbedarf mit dem Koalitionspartner sah Bürstmayr noch zum Punkt des neuen Tatbestandes zur Bekämpfung „religiös motivierter extremistischer Verbindungen“ in einem neuen §247b Strafgesetzbuch (StGB). Bei einer wirksamen Terrorbekämpfung gehe es zu 90% um Prävention und nur zu 10% um Repression, also die Verfolgung von Straftaten. Ein rascher Informationsaustausch nach Entlassung eines Straftäters und Angebote für die betreffende Person, umzukehren, müssten immer wieder gemacht werden.

Rechtsstaatlichkeit und Prävention, Beharrlichkeit und Ausdauer sowie die Erkenntnis, dass Terrorbekämpfung eine gemeinsame, gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei, seien wichtig, betonte Bürstmayr.

Krisper (NEOS): Es hat ein Organversagen gegeben

Für Stephanie Krisper (NEOS) gibt es keine hundertprozentige Sicherheit, wohl müsse aber das Risiko minimiert werden. Sie verwies wie Einwallner darauf, dass die Untersuchungskommission keine neuen Rechtsmaßnahmen vorgeschlagen hatte. „Seriös wäre es gewesen, den Sicherheitsbericht abzuwarten und danach Maßnahmen zu setzen. Es hat ein wahres Organversagen gegeben und es ist am Vollzug gelegen und nicht am rechtlichen Rahmen, der nicht ausgereicht hat.“ Wichtig in der Terrorbekämpfung sei es, die Zahl der Straftaten zu reduzieren und in der Prävention mehr zu tun, und dafür brauche es keine Gesetzesänderung, so Krisper.

Zur gestern präsentierten Neuaufstellung des BVT als „Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst“ (DSN) meinte Krisper, sie würde gern daran glauben, dass sich dadurch in diesem Amt etwas ändere. Dort sollten die besten Kräfte sitzen und nicht solche, die eine Nähe zu bestimmten politischen Parteien hätten. Eine effiziente parlamentarische Kontrolle ist für Krisper unabdingbar.

Hannes Amesbauer kritisierte Mehrgleisigkeiten an der geplanten Kontrolle und deren Ansiedelung im Innenministerium. Zudem sei die Trennung zwischen Nachrichtendienst und Staatsschutz in den DSN-Plänen nicht scharf genug gelungen sowie ein gesamtstaatliches Lagezentrum. Für ein solches trat auch Reinhold Einwallner ein.

Karl Mahrer und Georg Bürstmayr verteidigten die Reformpläne für das BVT. Die Unabhängigkeit der Kontrolleinrichtungen ist laut Bürstmayr durch die Rahmenbedingungen gewährleistet, wie eine einmalige Bestellung auf zehn Jahre. Für Mahrer handle es sich durch die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit um ein Gremium mit ausreichender Kontrollfunktion. Zudem sei der Diskussionsprozess erst gestartet.

Stockhammer warnt: In den nächsten zwei bis drei Jahren werden einige hundert Dschihadisten aus der Haft entlassen

Für Nicolas Stockhammer vom Institut für Rechtsphilosophie an der Universität Wien enthält das Antiterrorpaket einige Punkte, die eine Verbesserung für die Zukunft bringen könnten. Er warnte, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren einige hundert Dschihadisten aus der Haft entlassen würden. Dafür müsse der Staat gerüstet sein.

Die Fußfessel bedeute für ihn eine unterstützende Maßnahme. Der § 247b StGB sei für ihn sehr wichtig, denn hier könne gegen die Vorfeldebene zum politisch motivierten Dschihadismus vorgegangen werden. Bedenken hinsichtlich einer Vorverurteilung teilte Stockhammer nicht, denn beispielsweise die Muslimbrüderschaft würde nachweislich Terror unterstützen. „Die Muslimbrüderschaft will den Staat von innen aushöhlen“, sagte er. „Personen, die sich in diesem Dunstkreis bewegen und die Mitgliedschaft gehören unter Strafe gestellt.“ Bezüglich der Trennung zwischen Staatsschutz und Nachrichtendienst meinte Stockhammer, für eine Ausgliederung aus dem Polizeilichen sei Österreich wahrscheinlich zu klein.

Für Österreich stelle der Dschihadismus das größte Gefahrenpotenzial dar, sagte der Experte. Ebenso sei ein starker Zufluss aus der Weltverschwörerszene zu beobachten. Der neue Verfassungsschutz sei angehalten, das gesamte Spektrum im Auge zu behalten, denn man wisse nicht, wohin sich die Lage bewegen würde, so Stockhammer.

Matejka sieht Fußfessel problematisch

Sabine Matejka, Präsidentin der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter, betonte, die Fußfessel stelle einen Grundrechtseingriff dar. „Die Fußfessel vermittelt eine falsche Sicherheit“, erläuterte Matejka. „Man schaut bei einer Fußfessel nur punktuell, wo sich die oder der Betroffene aufhält. Niemand kontrolliert Fußfesselträger 24 Stunden lang.“ Auch die geplante eigenen Gerichtszuständigkeit sieht Matejka kritisch, denn die Materie sei nicht so komplex, dass es eine Spezialisierung brauche. Zudem bedeute es ein Gefährdungspotential für die auf die Beurteilung solcher Straftaten spezialisierten RichterInnen.

Die geplanten Fallkonferenzen, in denen es zum Zeitpunkt einer bedingten Entlassung mehr Informationen geben soll als derzeit, bewertete Matejka als hingegen positiv. Auch für sie stellt Präventionsarbeit den wichtigsten Punkt in der Terrorbekämpfung dar.

Die nächste Sendung von Politik am Ring findet am Montag, dem 19. April 2021 statt. Sie wird wieder live ab 21 Uhr in der Mediathek der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at/MEDIA übertragen. Alle Folgen von Politik am Ring sind dort dauerhaft abrufbar.(Schluss) ibe

HINWEIS : Fotos der Diskussionssendung „Politik am Ring“ finden Sie auf der Website des Parlaments.


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