Pflege-Enquete: Mehr finanzielle Unterstützung für Pflege gefordert

Dritter Teil der Bundesrats-Enquete befasst sich mit Praxis der Pflege

Wien (PK) Ganz im Zeichen der Praxis stand der dritte Teil der heutigen Enquete des Bundesrats zum Thema Pflege. So hob Bernadette Feuerstein, Mitarbeiterin im Sozialministerium, auf Basis ihrer eigenen Erfahrungen die Bedeutung von persönlicher Assistenz hervor. Nur so könne sie berufstätig sein und ihren Beitrag für die Gesellschaft leisten. Ulrike Makomaski berichtete, welche Belastungen mit der Pflege eines demenzkranken Partners verbunden sind, und zeigte auf, wo es aus ihrer Sicht an staatlicher Unterstützung mangelt. Von einer tickenden Zeitbombe angesichts der demographischen Entwicklung sprach Walter Marschitz, er hält es für wichtig, die pflegenden Angehörigen als Rückgrat des Pflegesystems bei der Stange zu halten. Für Gerald Möderl muss das Image des Pflege verbessert werden, um auch künftig junge Leute für diesen Beruf zu interessieren.

Seitens der Politik regte der Vorarlberger ÖVP-Bundesrat Edgar Mayer die Einrichtung einer parlamentarischen Kommission oder eines Konvents an, um eine zukunftsträchtige und nachhaltige Lösung für die Pflegefinanzierung zu erarbeiten. Die burgenländische SPÖ-Bundesrätin Inge Posch-Gruska hob die Bedeutung von Gesundheitsprävention hervor. Monika Mühlwerth (F) drängte einmal mehr auf eine Valorisierung des Pflegegelds. Einen einzigen Finanzierungstopf für Gesundheits- und Pflegeleistungen mahnte Heidelinde Reiter (G) ein.

Makomaski: Betreuung daheim erfordert mehr finanzielle Unterstützung

In die Situation einer pflegenden Angehörigen werde man nicht geboren, man wachse langsam, hinein, so Ulrike Makomaski. Obwohl sie mit der Diagnose Alzheimer ihren Gatten als Mann und Partner verloren hatte, konnte sie sich endlich seine Aktionen und Reaktionen erklären. Der Umgang zwischen ihnen habe sich seitdem verändert, er sei inniger geworden. Das österreichische Sozial- und Gesundheitssystem sei nicht für Menschen mit Demenz vorgesehen, unterstrich sie und schilderte humorvoll Alltagspannen und informierte über Urlaube für Alzheimer Erkrankte.

Unter der Woche verbringe ihr Mann den halben Tag in einem auf Demenz spezialisierten Tageszentrum des Fonds Soziales Wien. Jene Förderung und Betreuung, die er dort erhalte, könne sie ihm daheim nicht bieten, lobte Makomaski die Einrichtung. Nicht nur die Pflege und damit verbundene Anschaffungen seien kostspielig, jede Stunde, die sie sich freinehmen wolle, müsse bezahlt werden. Es gebe zwar die finanzielle Unterstützung durch das Sozialministerium, diese sei aber nicht annähernd ausreichend, um die optimale Pflege zu bezahlen. Mehr finanzielle Unterstützung sei notwendig, denn derzeit sei der Weg in die Altersarmut vorgezeichnet. Trotz allen Belastungen ist Makomaski zuversichtlich und bestrebt, ihren Mann mit Hilfe sozialer Dienste bis ans Ende zu Hause betreuen zu können.

Marschitz: Alternative Finanzierungsformen vorurteilsfrei prüfen

Wenn die geburtenstarken Jahrgänge ab 1939 in ein Alter kommen, in dem die Pflegebedürftigkeit stark zunimmt, stehe Österreich vor einer Herausforderung, die nur mit Unterstützung von Angehörigen durch Pflege daheim bewältigbar sei. Nicht nur die Verlängerung der durchschnittlichen Pflegedauer, auch höhere Kosten für die Entlohnung des Pflegepersonals würden künftig mehr Geld für die Pflege erfordern, so Walter Marschitz, der beruflich als Geschäftsführer der Sozialwirtschaft Österreich (Verband der österreichischen Sozial- und Gesundheitsunternehmen) tätig ist. Derzeit erfolge ein Großteil der Finanzierung über das Pflegegeld. Dieses bringe Vorteile und Anreize für pflegende Angehörige, es bedürfe aber einer Evaluation.

Geht es nach Marschitz so gehört das Pflegegeld entweder jährlich indexiert oder Sachleistungen mehr Bedeutung zugemessen. Zusätzliche Mittel für Pflege könnten mit einer Pflegeversicherung in Form eines Umlagesystems aufgebracht werden. Diese könnte auf das vorhandene System aufbauen und zunächst mit niedrigen Beiträgen den zusätzlichen Bedarf decken, regte Marschitz die vorurteilsfreie Prüfung der Pflegefinanzierung an.

Möderl: Akzeptanz und Anerkennung der Pflege verbessern

Pflege brauche wissenschaftlich geschultes Personal und Qualitätsstandards, so Gerald Möderl, der Erfahrungen aus der Langzeitpflege sowie dem Lehrbereich mitbrachte. Neben den hohen beruflichen Anforderungen und der Fremdbestimmung, sei auch die psychische Belastung der PflegerInnen nicht zu unterschätzen. Hinzu komme, dass es nicht genügend finanzielle Ressourcen gebe und auch zwischen den Bundesländern einheitliche Regelungen fehlen. Aus diesem Grund sollten Politik und Medien daran arbeiten, das Image des Pflegeberufs aufzuwerten, forderte Möderl mehr Akzeptanz und Anerkennung für den Beruf. Aufgrund der demographischen Entwicklung würde künftig mehr Personal gebraucht, daher müsse auch das Interesse junger Menschen geweckt werden.

Feuerstein: Persönliche Assistenz ermöglicht selbstbestimmtes Leben

Das Modell der persönlichen Assistenz ermögliche ihr, berufstätig zu sein und so – trotz nicht unwesentlicher Behinderung – ihren Beitrag in der Gesellschaft zu leisten, führte Bernadette Feuerstein aus. Sie habe ein eingeschultes Team von MitarbeiterInnen sowie eine gute Organisation der Pflege und Unterstützung, erzählte sie über die Rolle der Pflege in ihrem Leben. Das Modell der Pflege sei für viele Menschen lebensnotwendig. Österreich sei dennoch in diesem Bereich säumig, denn die persönliche Assistenz werde nur in wenigen Bundesländern und kaum im ländlichen Raum ausreichend angeboten. Weniger die Trennung zwischen Pflege- und Assistenzleistungen als die umfassende Unterstützung im Alltag sollte im Vordergrund stehen. Daher richtete sich Feuerstein mit dem Appell an die Anwesenden, das Gesamtmodell flächendeckend auszubauen, um die Kluft zwischen dem medizinischen Modell von Pflege und einem selbstbestimmten gleichberechtigten Leben zu überwinden.

Große Herausforderungen Finanzierung und Personal

In der anschließenden Debatte ging es vor allem um die Themen Finanzierung und Strukturen. So bezweifelte Walter Scheed vom Österreichischen Seniorenrat, dass mit einer Pflegeversicherung die Sache erledigt wäre. Er sprach sich für eine solidarische Finanzierung, etwa über eine Erbschaftssteuer aus. Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) kann sich vorstellen, dass durch die Entwirrung des Kompetenz-Wirr-Warrs finanzielle Ressourcen freigemacht werden können. FPÖ-Bundesrat Bernhard Rösch drängte auf eine ordentliche Bezahlung im Pflegebereich und gab zu bedenken, dass es pflegebedürftigen Menschen nur gut gehe, wenn es auch jenen gut geht, die Pflege leisten.

Was bundeseinheitliche Strukturen betrifft, äußerte sich ÖVP-Landtagsabgeordnete Daniela Gutschi aus Salzburg skeptisch. Man müsse regionale Unterschiede berücksichtigen. Auch wandte sie sich dagegen, vom Pflegegeld zu Sachleistungen überzugehen.

Elisabeth Anselm vom Hilfswerk Österreich ist überzeugt, dass die Personalfrage in Zukunft eine mindestens ebenso große Herausforderung sein wird wie die Finanzierung. Man müsse mehr Menschen dafür begeistern, den Pflegeberuf einzuschlagen. Sonja Thalinger, Dachverband Hospiz Österreich, hob die Bedeutung kleinräumiger Strukturen in der Hospiz- und Palliativversorgung hervor.

Eine sorgsame Wortwahl mahnte Christine Ecker vom Arbeiter-Samariter-Bund Österreich ein: Ausdrücke wie „ins Pflegeheim abschieben“ seien kontraproduktiv und für das engagierte Pflegepersonal demotivierend. Skeptisch äußerte sie sich auch zur Einführung eines Lehrberufs Pflege.

Pflege-Zukunft: ÖVP regt Parlamentarische Kommission oder Konvent an

Beendet wurde die Enquete mit Abschlussstatements seitens der vier Fraktionen im Bundesrat. Dabei hob ÖVP-Bundesrat Edgar Mayer die Notwendigkeit hervor, eine zukunftsträchtige und nachhaltige Lösung für die Pflegefinanzierung zu finden, und regte an, eine parlamentarische Kommission oder einen Konvent einzurichten, um gemeinsam mit Ländern, Gemeinden und Betroffenen ein Konzept zu erarbeiten. Wichtig ist für ihn dabei, das Thema ohne ideologische Zwänge zu diskutieren. Ob die Finanzierung weiter über einen Pflegefonds oder eine Pflegeversicherung erfolge, sei für ihn nicht so wichtig, meinte er. Zur Forderung nach Strukturreformen, merkte Mayer an, man dürfe den Föderalismus nicht von vornherein sterben lassen, eine bessere bundesländerübergreifende Abstimmung sei aber sinnvoll.

Die Bedeutung von Prävention hob die burgenländische SPÖ-Bundesrätin Inge Posch-Gruska hervor. Sie verwies in diesem Zusammenhang etwa auf die burgenländische Aktion „Gesundes Dorf“. Außerdem wäre es ihrer Meinung nach auch sinnvoll, alternativen Betreuungsformen wie Wohngemeinschaften ein größeres Augenmerk zu schenken. Wenig abgewinnen kann Posch-Gruska Plänen, ausländischen Pflegekräften in Österreich die Familienbeihilfe zu kürzen.

Von einer sehr lehrreichen Enquete sprach FPÖ-Bundesrätin Monika Mühlwerth. Die „Experten und Expertinnen des Alltags“ hätten aufgezeigt, wo Verbesserungsbedarf und echte Mängel bestehen, sagte sie. Man müsse die Vorschläge nun aufgreifen, sieht sie die Politik gefordert. Ein besonderes Anliegen ist ihr die Valorisierung des Pflegegelds, das sei eine langjährige Forderung der FPÖ.

Seitens der Grünen meinte Bundesrätin Heidelinde Reiter, bei aller Kritik dürfe nicht vergessen werden, was beim Aufbau des Pflegesystems in Österreich gelungen sei. Man müsse aber an Schrauben drehen, um das System weiterzuentwickeln und zu verbessern. Als großes Hindernis sieht Reiter dabei die unübersichtlichen Verantwortlichkeiten und Finanzströme – die letzten Finanzausgleichsverhandlungen seien in dieser Hinsicht eine Enttäuschung gewesen. Sie habe die Vision, dass im Bereich Gesundheit und Pflege in einen Topf hineingezahlt wird, sei es durch Steuern, sei es durch eine Versicherung, und aus diesem Topf würden dann alle die gleichen Leistungen erhalten, egal wo sie wohnen, hält sie Strukturreformen für unumgänglich. Reiter zufolge wird es außerdem notwendig sein, zu einer neuen Bewertung von Arbeit zu kommen. (Schluss) gro/gs

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