Parteien wollen BürgerInnen stärker in den Gesetzgebungsprozess einbinden

Erstes Crowdsourcing-Pilotprojekt könnte 2018 starten

Wien (PK) - Die sechs Parlamentsfraktionen wollen die BürgerInnen stärker in den Gesetzgebungsprozess einbinden. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat heute einen gemeinsamen Entschließung an das Plenum weitergeleitet. Insbesondere geht es um die Ausweitung des Begutachtungsverfahrens zu Gesetzentwürfen und die Durchführung von Crowdsourcing-Projekten. Nach finnischem Vorbild sollen ausgewählte Gesetzesvorhaben gemeinsam mit BürgerInnen und Fachleuten in einem mehrstufigen Prozess erarbeitet werden, wobei die Regierung zunächst einmal ersucht wird, Materien, die sich für einen Crowdsourcing-Prozess eignen, bekanntzugeben. Ein erstes Pilotprojekt könnte dann 2018 starten, die technischen Voraussetzungen sollen bis Ende dieses Jahres vorliegen.

Für die Opposition ist die Entschließung zwar nur ein kleiner, aber ein richtiger Schritt zur Umsetzung der Empfehlungen der parlamentarischen Enquete-Kommission zur "Stärkung der Demokratie in Österreich", die zwischen September 2014 und September 2015 tagte. Wenig Bewegung gibt es nach wie vor beim Informationsfreiheitsgesetz, Kanzleramtsminister Thomas Drozda will vor dem Sommer aber noch einmal einen Anlauf nehmen.

Wie ein Crowdsourcing-Projekt ablaufen könnte, wird in den Erläuterungen zur Entschließung präzisiert. Demnach soll, sobald ein "crowdsourcentaugliches" Thema am Tisch liegt, die Öffentlichkeit eingeladen werden, bestehende Probleme zu benennen. Danach werden ExpertInnen gebeten, Lösungen zu präsentieren, die dann in einem dritten Schritt evaluiert werden. Zum Abschluss soll das zuständige Regierungsmitglied dem Nationalrat berichten, ob eine oder keine Ausarbeitung eines konkreten Gesetzesvorhabens auf Basis der Anregungen erfolgt bzw. welche anderen Maßnahmen als Ergebnis des Prozesses geplant sind. Zur Durchführung eines Pilotprojekts wird das Parlament eine Plattform für den Kommunikations- und Informationsaustausch einrichten.

Was das erweiterte Begutachtungsverfahren betrifft, wollen die Abgeordneten durch eine Änderung der legistischen Richtlinien sicherstellen, dass auch Stellungnahmen von BürgerInnen und Institutionen, die nicht direkte Adressaten eines Begutachtungsverfahrens sind, bei der Auswertung der Begutachtungsergebnisse berücksichtigt werden. Alle seriösen Stellungnahmen sollen - wie grundsätzlich schon bisher - auf der Website des Parlaments veröffentlicht werden. Neu ist, dass sie, ähnlich wie Petitionen und Bürgerinitiativen, ab Herbst auch elektronisch mit einer Art "Like-Button" unterstützt werden können.

Das zuständige Regierungsmitglied wird außerdem angehalten, das jeweilige Gesetzesvorhaben in auch für Nicht-ExpertInnen verständlicher Form darzustellen, und zwar im Umfang etwa einer A4-Seite. Schickt ein Ausschuss eine Gesetzesinitiative von Abgeordneten in Begutachtung, obliegt die Erstellung des entsprechenden Informationsblatts den AntragstellerInnen. Durch eine kurz begründete Darstellung soll schließlich in Hinkunft auch besser ersichtlich sein, welche Anregungen aus dem Begutachtungsverfahren in eine Regierungsvorlage aufgenommen wurden. Basis für die Entschließung bildete ein Sechs-Parteien-Antrag (2042/A(E)), der im Zuge der Ausschussberatungen noch präzisiert und ausgeweitet wurde.

Opposition urgiert weitere Schritte

Die Ausweitung des Begutachtungsverfahrens und das geplante Crowdsourcing-Pilotprojekt wurden auch von der Opposition begrüßt. Beide Punkte seien gut gelungen, sagte Dieter Brosz (G). Die Grünen sind sich mit der FPÖ, den NEOS und dem Team Stronach aber einig, dass es weitergehender Schritte bedarf. Das eigentliche Ziel der Demokratie-Enquete sei schließlich die Weiterentwicklung der direkten Demokratie gewesen, erinnerte Nikolaus Scherak (N). Schon das Ergebnis der Enquete sei wenig zufriedenstellend gewesen, selbst aus dem damals von den Koalitionsparteien beschlossenen Mehrheitsbericht seien aber noch etliche Punkte offen. Brosz zufolge sind etwa jährliche Vorhabensberichte der MinisterInnen in öffentlichen Ausschusssitzungen bisher am Widerstand der Regierung gescheitert.

Mehr Transparenz in der Gesetzgebung und mehr Mitbestimmungsrechte für BürgerInnen würden die Akzeptanz von Gesetzen erhöhen, ist Scherak überzeugt. Auch Christoph Hagen (T) glaubt, dass die Politikverdrossenheit sinkt, wenn das Volk stärker in die Gesetzgebung eingebunden wird. Für Harald Stefan (F) ist die Entschließung "das kleinste Gemeinsame, das übrig geblieben ist", er hoffe, dass der kleine Schritt etwas bringt. Auf Kompromisse in weiteren Bereichen hofft auch ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl.

Von Scherak auf den aktuellen Verhandlungsstand zum Informationsfreiheitsgesetz angesprochen, sagte Minister Drozda, an ihm scheitere das Vorhaben nicht. Er würde es gerne vor dem Sommer abschließen. Es sei aber zur Kenntnis zu nehmen, wenn das nicht möglich ist. Einer der offenen Punkte ist laut Drozda die Einbeziehung von Unternehmen in das Gesetz.

Adelstitel-Verbot: Grüne fordern adäquate Strafen bei Übertretungen

Vom Verfassungsausschuss vertagt wurden die Beratungen über eine Initiative der Grünen (1065/A(E)), die auf eine Novellierung des Adelsaufhebungsgesetzes abzielt. Die Grünen wollen damit sicherstellen, dass Übertretungen des Verbots, Adelstitel zu führen, mit adäquaten Verwaltungsstrafen geahndet werden. Der Strafrahmen ist im Gesetz nach wie vor mit 20.000 Kronen angegeben, was heute, wie Sigrid Maurer im Ausschuss erläuterte, 0,14 Euro-Cent entspricht.

Die Grünen erhielten im Ausschuss allerdings wenig Unterstützung für ihr Anliegen. Es gelte viel größere Herausforderungen zu lösen, er sehe keine Gefahr, dass in Österreich eine Monarchie die Republik abschaffen könnte, hielt Christoph Vavrik (V) fest. Wenn, dann sollte man das Gesetz grundsätzlich überdenken, begründete er den Vertagungsantrag.

Dezidiert für eine Aufhebung des Adelstitels-Verbots in Österreich sprach sich Christoph Hagen (T) aus. Österreich werbe schließlich auch mit dem monarchistischen Erbe im Ausland, machte er geltend. Auch Harald Stefan (F) und Nikolaus Scherak (N) tendieren in diese Richtung. Das Führen eines Adelstitels sei mit keinerlei Rechten verbunden, im Sinne einer Verwaltungsvereinfachung könnte das Gesetz abgeschafft werden, hielt Stefan fest. Lange über die Höhe angemessener Strafen nachzudenken, zahle sich jedenfalls nicht aus. 0,14 Cent Strafe seien lächerlich, betonte Scherak, man müsse die Strafen entweder erhöhen oder das Gesetz zur Gänze aufheben.

Widerstand gegen eine Abschaffung kam hingegen von SPÖ-Abgeordnetem Josef Cap. Er hält das Gesetz aus symbolischen Gründen für wichtig. Auch nach Meinung von Albert Steinhauser (G) wäre die Abschaffung ein falsches Signal, da man damit Adelstitel de facto wieder in Österreich einführen würde.

NEOS beantragen Änderung des Parteiengesetzes

Ebenfalls in die Warteschleife geschickt wurde eine von den NEOS beantragte Änderung des Parteiengesetzes (2065/A). Geht es nach Nikolaus Scherak, soll künftig eine Geldbuße von bis zu 100.000 € verhängt werden können, wenn eine politische Partei entgegen den geltenden gesetzlichen Vorgaben dem Rechnungshof keinen Rechenschaftsbericht übermittelt. Für ihn ist es nicht einsichtig, dass einer Partei zwar im Falle falscher Angaben über ihre Finanzen Sanktionen drohen, nicht aber, wenn sie gar keine Bilanz vorlegt.

Für eine Novellierung des Parteiengesetzes sprachen sich auch die Koalitionsparteien aus. Allerdings halten Andreas Hanger (V) und Josef Cap (S) den Antrag der NEOS für zu kurz gegriffen. Das Gesetz habe erhebliche Schwächen, man müsse in Ruhe darüber nachdenken, sagte Cap. Hanger wies vor allem auf den hohen bürokratischen Aufwand für kleine Ortsorganisationen hin.

Ausdrücklich unterstützt wurde der Antrag hingegen von Dieter Brosz (G). Er sprach von einer absurden Rechtslücke und erinnerte daran, dass es die Intention des Gesetzes gewesen sei, mehr Transparenz in die Parteienfinanzierung zu bringen. Es habe damals massive Probleme mit illegalen Parteispenden gegeben, hob Scherak ergänzend hervor. Den Einwand Hangers, wonach die Umsetzung des Parteiengesetzes überbordende Bürokratie verursache, ließen die beiden Abgeordneten nicht gelten, schließlich sei es notwendig gewesen, Umgehungskonstruktionen für illegale Parteispenden zu vermeiden. Man könne die Bürokratie sicher etwas reduzieren, meinte Brosz, die Substanz des Gesetzes dürfe aber nicht leiden.

Gemeindeprüfung: FPÖ für Ausweitung der Kompetenzen des Rechnungshofs

Schließlich vertagte der Ausschuss auch einen Antrag der FPÖ (2027/A), der eine Ausweitung der Prüfkompetenzen des Rechnungshofs in Zusammenhang mit Gemeindeprüfungen zum Inhalt hat. Die PrüferInnen sollen kleinere Gemeinden mit weniger als 10.000 EinwohnerInnen - auf Ersuchen einer Landesregierung bzw. eines Landtags - nicht nur dann genauer unter die Lupe nehmen können, wenn diese im Vergleich zu anderen Gemeinden eine auffällige Schulden- oder Haftungsentwicklung haben, sondern auch dann, wenn sie einen auffällig raschen Abbau von Rücklagen aufweisen.

Hintergrund für den Antrag sind Finanzspekulationen der steirischen Gemeinde Hartberg mit Erlösen aus dem Verkauf der gemeindeeigenen Sparkasse, wie FPÖ-Abgeordneter Wolfgang Zanger erläuterte. Nikolaus Scherak (N) und Albert Steinhauser (G) erklärten, dass ihre Fraktionen eine Prüfkompetenz des Rechnungshofs für Gemeinden unter 10.000 Einwohner grundsätzlich befürworten und sie daher auch diesem Antrag zustimmen würden. Angela Lueger (S) plädierte für eine Vertagung des Antrags, der eine wichtige Frage an einem lange zurückliegenden Einzelfall festmache. Das Thema sollte in einem größeren Kontext debattiert werden. Ihr Fraktionskollege Elmar Mayer ergänzte den Vertagungsantrag mit dem Hinweis, dass die Forderung nach einer Ausweitung der Prüfkompetenzen des Rechnungshofs Teil einer umfassenden Debatte über Änderungen des Bundesverfassungsgesetzes sei. Hier sei man bereits sehr weit, er hoffe daher, dass sich in dieser Frage sehr bald eine fraktionsübergreifende Einigung erzielen lässt. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs/sox

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