Nationalrat: Novelle zum Versammlungsgesetz bringt Schutzzone für Demonstrationen

Regierung kann Wahlkampfauftritte ausländischer PolitikerInnen künftig verbieten

Wien (PK) - Die Regierung kann Wahlkampfauftritte ausländischer PolitikerInnen in Österreich künftig unter bestimmten Voraussetzungen verbieten. Der Nationalrat hat heute eine entsprechende Novelle zum Versammlungsgesetz beschlossen, die generell eine Einschränkung des Demonstrationsrechts für Nicht-EU-BürgerInnen bringt. Außerdem wird die Frist für die Anmeldung einer Versammlung von 24 auf 48 Stunden verlängert und eine Schutzzone rund um Versammlungen eingeführt. Bis zu 150 Meter kann der Puffer zwischen Demonstrationen und Gegendemonstrationen künftig betragen. Weiter massive Kritik äußerte die Opposition, Grün-Abgeordneter Albert Steinhauser erwägt, gemeinsam mit der FPÖ und den NEOS den Verfassungsgerichtshof anzurufen.

Unmittelbarer Anlass für die Gesetzesnovelle war die öffentliche Diskussion um die Bewerbung des türkischen Verfassungsreferendums im Ausland. Gemäß den neuen Bestimmungen kann die zuständige Behörde eine Versammlung in Österreich nunmehr dann untersagen, wenn sie "der politischen Tätigkeit von Drittstaatsangehörigen dient und den anerkannten internationalen Rechtsgrundsätzen und Gepflogenheiten oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen, den demokratischen Grundwerten oder außenpolitischen Interessen der Republik Österreich zuwiderläuft", wie es im Wortlaut heißt. Ist der Auftritt eines ausländischen Politikers oder eines anderen Vertreters eines ausländischen Staates bei einer derartigen Versammlung geplant, liegt die Entscheidung im Ermessen der Bundesregierung.

Ausländische Konflikte sollten nicht auf österreichischem Boden ausgetragen werden, begründeten Michael Hammer (V) und Jürgen Schabhüttl (S) das Vorhaben. Die verlängerte Anmeldefrist und die Schutzzonen-Regelung würden es der Polizei überdies ermöglichen, sich besser vorzubereiten und den ungestörten Ablauf von Demonstrationen zu gewährleisten. Es gehe nicht zuletzt auch um die Sicherheit der TeilnehmerInnen von Versammlungen, so Hammer.

Das Demonstrationsrecht werde mit der Novelle nicht angetastet, versicherte Schabhüttl. Dieses sei für die SPÖ ein hohes Gut. Man wolle in einigen Punkten aber Rechtssicherheit schaffen. Dass es die neuen Bestimmungen den Behörden ermöglichen, Demonstrationen willkürlich zu verbieten, stellte auch Wolfgang Gerstl (V) in Abrede. Schließlich seien diese verpflichtet, die Europäische Menschenrechtskonvention einzuhalten. Sowohl SPÖ und ÖVP betonten überdies, dass Spontanversammlungen weiter möglich sein werden.

Ausdrücklich hinter die Novelle stellten sich auch Martina Diesner-Wais (V), Otto Pendl (S) und Angela Lueger (S). Lueger wies darauf hin, dass es im vergangenen Jahr in Österreich 10.330 Versammlungen gegeben habe, davon 8.153 in Wien. Das seien pro Tag 22 Aktionen. Mit der Verlängerung der Anmeldefrist auf 48 Stunden werde der Polizei die Dienstplanung erleichtert. Als sinnvoll werten sie und Pendl auch die Schutzzone, wobei Lueger betonte, dass es auch möglich sein wird, eine Schutzzone unter 50 Meter festzulegen.

ÖVP fordert weitergehende Einschränkungen

Geht es nach der ÖVP, soll die vorliegende Novelle jedoch nur ein erster Schritt sein. So hält es Abgeordneter Hammer für notwendig, Maßnahmen zu setzen, um unbeteiligte Dritte besser vor Ausschreitungen zu schützen. Zudem sprach er sich für eine weitere Verlängerung der Anmeldefrist für Demonstrationen auf 72 Stunden und eine präzisere Umschreibung der Haftungen und Verpflichtungen des Versammlungsleiters aus. Sein Fraktionskollege Gerstl drängte darauf, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit künftig mit dem Grundrecht auf Erwerbsfreiheit abzuwägen.

Opposition: Gesetz öffnet Missbrauch Tür und Tor

Wenig konnte die Opposition den Argumenten von SPÖ und ÖVP abgewinnen. Bei den neuen Bestimmungen gehe es vorrangig nicht darum, fragwürdigen Wahlkampfauftritten ausländischer PolitikerInnen in Österreich einen Riegel vorzuschieben, vielmehr würden insgesamt schwerwiegende Einschnitte in das Demonstrationsrecht vorgenommen, kritisierte Grün-Abgeordneter Albert Steinhauser das seiner Meinung nach inakzeptable "Gummigesetz". Mit der Begründung, sie würden außenpolitischen Interessen Österreichs zuwiderlaufen, könnten viele Versammlungen untersagt werden. Durch die gewählte Formulierung sind seiner Einschätzung nach außerdem nicht nur Drittstaatsangehörige, sondern auch ÖsterreicherInnen und EU-BürgerInnen betroffen, die etwa gegen die Politik in China, in der Türkei oder in Saudi-Arabien demonstrieren wollten.

Ähnlich argumentierte FPÖ-Sicherheitssprecher Walter Rosenkranz. Ein von ihm gemeinsam mit Team-Stronach-Abgeordnetem Christoph Hagen eingebrachter Abänderungsantrag mit einer restriktiveren Formulierung der Untersagungsgründe fand jedoch keine Mehrheit. Österreich dürfe nicht eine Aufmarschwiese für Politik in Drittstaaten sein, stimmte Rosenkranz der Intention der Regierungsparteien zu, mit dem vorliegenden Gesetz werde "das Kind aber mit dem Bade ausgeschüttet" und Tür und Tor für Missbrauch geöffnet. Man könne das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht gegen außenpolitische Interessen Österreichs abwägen.

Als demokratiepolitisch äußerst bedenklich wertete auch FPÖ-Abgeordneter Günther Kumpitsch den vorliegenden Gesetzentwurf. Man habe die im Begutachtungsverfahren geäußerte Bedenken nicht ernst genommen, beklagte er. Als sachlich gerechtfertigt wertete er hingegen die Verlängerung der Anmeldefrist auf 48 Stunden.

Von einer "intellektuellen Beleidigung für das Parlament" und einer "Husch-Pfusch-Aktion" sprach NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak. Das Gesetz öffne Willkür Tür und Tor, er habe zudem kaum jemals ein legistisch derart schlechtes Gesetz gelesen. Angesichts des bereits durchgeführten Verfassungsreferendums in der Türkei sieht Scherak auch keinen Anlass zur Eile, man könnte über alle Bestimmungen in Ruhe bei der von Innenminister Wolfgang Sobotka angekündigten Enquete diskutieren. Aufgrund der verlängerten Anmeldefrist befürchten sowohl Scherak als auch Grün-Abgeordneter Steinhauser die Zunahme von Spontandemonstrationen.

Scherak nahm die Debatte darüber hinaus zum Anlass, um ein Verbot eines türkischen Todesstrafen-Referendums auf österreichischem Boden zu fordern. Die Bundesregierung müsse alles daran setzen, dass weder in Österreich noch in anderen EU-Ländern über die Einführung der Todesstrafe in der Türkei abgestimmt werden könne, mahnte er, konnte sich mit einem entsprechenden Entschließungsantrag jedoch nicht durchsetzen.

Für ihn falle das vorliegend Gesetze in die Kategorie "Gesetze, die keiner braucht", sagte Christoph Hagen (T). Es sei schon aufgrund der bestehenden Gesetzeslage möglich, Wahlkampfauftritte ausländischer PolitikerInnen in Österreich zu verbieten und Demonstrationen und Gegendemonstrationen auseinanderzuhalten. Im Grunde würde ein Sensibilisierungskatalog für die zuständigen Verwaltungs- und Polizeibehörden genügen. Vor kurzem habe der Nationalrat ein Gesetz beschlossen, um unnötige Gesetze zu vermeiden, erinnerte Hagen, die heutige Novelle stehe dazu in krassem Widerspruch.

Grüne erwägen Klage beim Verfassungsgerichtshof

Grünen-Justizsprecher Steinhauser erwägt, die Gesetzesnovelle beim Verfassungsgerichtshof anzufechten, sollte auch seitens der FPÖ und der NEOS Interesse daran bestehen. Für einen solchen Schritt braucht es ein Drittel der Abgeordneten.

Für eine weitergehende Regulierung des Demonstrationsrechts sprach sich der fraktionslose Abgeordnete Marcus Franz aus. Viele Leute in Wien hätten "die Schnauze voll" vor überbordenden Demonstrationen. Auch Rupert Doppler, ebenfalls keinem Klub zugehörig, hält es für wichtig, unbeteiligte Dritte besser zu schützen. Den vorliegenden Gesetzentwurf hält Doppler für nicht ausgereift. (Fortsetzung Nationalrat) gs

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