Nationalrat: Kontroverse Debatte über Dotierung des Gesundheitsbudgets

Anschober kündigt weitere Öffnungsschritte für Veranstaltungen, Kultur und Sport an

Wien (PK) Bei der heutigen Nationalratsdebatte über das Gesundheitsbudget, für das im Jahr 2020 Ausgaben in der Höhe von 1,2 Mrd. € veranschlagt sind, wurde eine breite Palette von Themen angesprochen. Nach Auffassung der SPÖ müsse eine nachhaltige Finanzierung sichergestellt werden, um nicht von einer Gesundheitskrise in die nächste zu schlittern. Bedauerlicherweise sei aber weder für die Einnahmenausfälle bei der Sozialversicherung vorgesorgt, noch würden ausreichend Mittel für den Ausbau der psychotherapeutischen Angebote, das kostenlose Impfprogramm oder für den Tierschutz bereitgestellt. Auch die Freiheitlichen sahen die Finanzierung des Gesundheitssektors gefährdet, während NEOS-Mandatar Gerald Loacker die Erfolgsbilanz des Ministers generell als eher bescheiden einstufte. Die VertreterInnen der Regierungsfraktionen legten ein Bekenntnis zu einem solidarischen und für alle Menschen zugänglichen Gesundheitssystem ab, das in der Krise seine Stärken bewiesen habe.

Bundesminister Rudolf Anschober ging vor allem auf die Bewältigung der Corona-Krise ein, in der Österreich einen guten Weg beschritten habe. Da der Mix aus richtigen Maßnahmen, richtigem Zeitpunkt und Commitment der Bevölkerung ein erfolgreicher war, könne man zusätzliche Lockerungen vornehmen, erklärte Anschober, der weitere Öffnungsschritte für die Kultur, den Sport und den Veranstaltungssektor ankündigte.

SPÖ setzt sich für nachhaltige Finanzierung des Gesundheitssystems, der Krankenkassen und für bessere Dotierung des Tierschutzes ein

Scharfe Worte fand Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ) für das Gesundheitsbudget, das „noch vor der Corona-Krise zusammengebastelt wurde“ und nichts „als heiße Luft“ sei. Weder wurden die Ankündigungen von Bundeskanzler Kurz und Minister Anschober umgesetzt, dass es gleich gute Leistungen für alle geben werde, noch finde man mehr Mittel für psychotherapeutische Angebote, das kostenlose Impfprogramm oder für die Weiterentwicklung der Gesundheitsberufe im Voranschlag. Wenn es nicht gelinge, eine nachhaltige Finanzierung für das Gesundheitssystem sicherzustellen, dann bestehe die Gefahr, dass Österreich bald wieder in eine Gesundheitskrise schlittere, warnte Kucher.

Verena Nussbaum (SPÖ) wiederum machte auf die aktuellen Finanzierungsprobleme der Krankenversicherungen aufmerksam, die unter einem massiven Einnahmenausfall leiden. Diese Probleme dürfen auf keinen Fall auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen gelöst werden. In einem Entschließungsantrag trat sie daher für eine Ausfallshaftung durch den Bund bis Ende 2022 ein. Rudolf Silvan (SPÖ) zeigte sich besorgt über die finanzielle Lage der AUVA, die aufgrund einer Beitragssenkung über geringere Einnahmen verfügen. Davon profitiert hätten aber nicht die kleinen Betriebe, sondern vor allem die großen Unternehmen, die sich teilweise auf den Spenderlisten der ÖVP wiederfänden. Auch die versprochene Patientenmilliarde habe sich in ein saftiges Minus umgewandelt, zeigte Silvan auf, der zudem noch einen Entschließungsantrag betreffend Abdeckung der durch die Fusion der Krankenversicherungen entstandenen Defizite durch den Bund einbrachte. Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ) bedauerte, dass die Mittel für den Tierschutz nicht erhöht wurden. Insbesondere sollten Gnadenhöfe und Vereine, die sich um Tiere in Not kümmern, ausreichend unterstützt werden, forderte er in einem Entschließungsantrag.

Grüne sehen sich als Garant für ein solidarisch finanziertes Gesundheitswesen und wollen neue Einnahmenquellen erschließen

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne) wies darauf hin, dass in Österreich insgesamt 42 Mrd. € für das Gesundheitswesen aufgewendet werden, wobei ca. 31 Mrd. € von der öffentlichen Hand kommen. Der Grund dafür, warum im vorliegenden Gesundheitsbudget nur 1,2 Mrd. € ausgewiesen werden, liege an dem „massiv kleinteiligen System“, an dem sehr viele Player beteiligt sind. Es sei richtig, dass die Kosten für die Corona-Krise noch nicht einberechnet wurden, entgegnete er Abgeordnetem Kucher, also etwa die Ausgaben für Desinfektionsmittel und Schutzbekleidungen in der Höhe von 400 Mio. € oder die zu erwartenden Einnahmenausfälle. Die Grünen stehen jedenfalls für ein solidarisch finanziertes Gesundheitssystem, das für alle zugänglich ist, versicherte Schallmeiner. Dazu gehören unter anderem der Ausbau der Primärversorgungszentren, die Einführung von Community-Nurses, die Aufwertung der nicht ärztlichen Berufe, der Ausbau des Angebots an Psychotherapie, klinischer Psychologie und Präventivmedizin. Eine tabulose Diskussion über neue Einnahmenquellen sei aus seiner Sicht daher notwendig. Seine Fraktionskollegin Faika El-Nagashi befasste sich vor allem mit den negativen Auswirkungen der Massentierhaltung und setzte sich für eine Förderung der pflanzlichen Ernährung sowie eine Berücksichtigung des Tierwohls in allen gesellschaftlichen Bereichen ein.

ÖVP: Corona-Krise habe die Stärken des heimischen Gesundheitssystems aufgezeigt

Die letzten Wochen hätten eindrücklich bewiesen, dass Österreich über ein sehr gut funktionierendes und solidarisches Gesundheitssystem verfügt, erklärten Gabriela Schwarz, Martina Diesner-Wais und Alexandra Tanda (alle ÖVP). Schwarz war es vor allem wichtig, dass nicht nur der Prävention, die von ausreichender Bewegung bis zu hin zu gesunder Ernährung reiche, noch mehr Augenmerk geschenkt werde, sondern auch dem Thema psychische Gesundheit. Während sich Diesner-Wais insbesondere für die medizinische Versorgung im ländlichen Raum einsetzte, wünschte sich Tanda eine noch höhere Beteiligung an den Vorsorgeprogrammen. Abgeordneter Josef Smolle (ÖVP) legte ein Bekenntnis zu einem solidarischen und für alle Menschen zugänglichen Gesundheitssystem ab. Dem Ausbau der Primärversorgungszentren, die derzeit in unterschiedlichen Modellen erprobt werden, widmete sich Laurenz Pöttinger (ÖVP). Auch Werner Saxinger (ÖVP) zeigte sich erfreut darüber, dass die Herausforderungen der Corona-Krise vom österreichischen Gesundheitssystem grundsätzlich gut gemeistert wurden. Da auch einige Schwächen aufgezeigt wurden, wünsche er sich, dass die entsprechenden Lehren daraus gezogen werden. Als Beispiele führte er die notwendige Aufwertung des kassenärztlichen Bereichs oder die Schaffung von neuen Versorgungsformen an.

NEOS mahnen bessere Steuerung des Gesundheitswesens und mehr Engagement im Bereich Pflege ein

NEOS-Mandatar Gerald Loacker (NEOS) bezeichnete die Erfolgsbilanz des Gesundheitsministers, der vor allem viele Pressekonferenzen abgehalten habe, als eher bescheiden. Dringender Handlungsbedarf bestehe etwa hinsichtlich der noch immer fehlenden Zusammenführung der Daten aus dem niedergelassenen und dem Spitalsbereich, wodurch zum Beispiel die Definition der Risikogruppen sehr erschwert wurde. Kritik übte Loacker auch daran, dass Anschober in der Bewältigung der Corona-Krise keine regionalen Strategien zulasse und das ganze Land über einen Kamm scheren wolle. Aber auch die vorhandenen Steuerungsmöglichkeiten im Rahmen der Bundesgesundheitsagentur oder GÖG (Gesundheit Österreich GmbH) werden vom Minister nicht genutzt, beklagte der NEOS-Abgeordnete. In einem Entschließungsantrag forderte er die Veröffentlichung der „A-IQI-Qualitätsindikatoren in Absprache mit der Bundes-Zielsteuerungskommission auf Krankenhaus-Standortebene“. Abgeordnete Fiona Fiedler (NEOS) konzentrierte sich in ihrer Wortmeldung auf den Pflegebereich, der nicht nur alte Menschen betreffe. Gerade in Krisenzeiten dürfe nicht auf die Bedürfnisse von Kindern, Menschen mit Behinderung, pflegenden Angehörigen und dem Pflegepersonal im niedergelassenen Bereich vergessen werden, appellierte sie an den Minister.

FPÖ ortet massive Finanzierungsprobleme im Gesundheitssektor und will mehr Engagement im Bereich Frauengesundheit

Nach Einschätzung des Abgeordneten Gerhard Kaniak (FPÖ) werde das für den Gesundheitssektor veranschlagte Budget bei weitem nicht ausreichen. Auch im Abänderungsantrag der Regierungsfraktionen wurde die Untergliederung 24 in keiner Weise berücksichtigt. Seine Berechnungen hätten ergeben, dass mindestens 142 Mio. € im Jahr 2020 fehlen werden, zeigte Kaniak auf. Er frage sich daher, wie etwa die zahlreichen Corona-Tests, die schon bestellten Impfstoffe, die Zusatzmittel für die AGES oder die angekündigten Informationskampagnen bezahlt werden sollen. Ein von ihm eingebrachter Entschließungsantrag enthält ein umfassendes „Maßnahmenpaket zum österreichischen Gesundheitssystem nach COVID-19“. Frauen haben ein Recht auf gesundheitliche Chancengerechtigkeit, betonte Abgeordnete Rosa Ecker (FPÖ). Bundesminister Anschober sei daher gefordert, sich verstärkt einzusetzen, wenn es etwa um die Brustkrebsvorsorge, den Ausbau von Vorsorgeprogrammen oder um das Thema Gewalt in den Spitälern geht. Außerdem trat sie für eine sofortige Abschaffung der Maskenpflicht ein.

Anschober kündigt weitere Öffnungsschritte für die Kultur, den Sport und den Veranstaltungssektor an

Die Corona-Krise habe allen Menschen deutlich vor Augen geführt, welch hohen Stellenwert die Gesundheit habe, konstatierte Bundesminister Rudolf Anschober. Ausgehend von dieser Grundüberzeugung gehe es in Zukunft darum, das hochqualitative, solidarische Gesundheitssystem weiterhin abzusichern. Von Beginn seiner Amtszeit an sei für ihn klar gewesen, dass es Schwerpunktsetzungen in den Bereichen Prävention, psychische Gesundheit und Pflege brauche. Diesbezügliche Pläne und Reformvorhaben werden nach der Corona-Krise mit aller Kraft weiter vorangetrieben. Derzeit befinde man sich aber noch mitten in der Pandemie, es gebe weltweit etwa 5,7 Millionen Erkrankte, gab der Minister zu bedenken. Auch wenn in Österreich die Situation weitgehend unter Kontrolle sei, heiße dies nicht, dass das Virus „ausgezogen sei“. Dies sehe man an einzelnen Clusterbildungen wie in Wien und Niederösterreich, wo aber die zuständigen Behörden sehr gut zusammenarbeiten. Was die Regionalisierung der Maßnahmen angeht, so werde man sich die Vorschläge der Länder genau ansehen und prüfen, ob unterschiedliche Regelungen Sinn machen. Generell wolle er den Weg des Containment, des Contact-Tracings und der schrittweisen und gesicherten Öffnung weiter fortsetzen; nächste Schritte werde er schon morgen bekannt geben.

Das Gesundheitsbudget im Zeichen der Corona-Krise

Für den Bereich Gesundheit (Untergliederung 24) sieht der Finanzierungshaushalt für 2020 Auszahlungen von insgesamt 1,2 Mrd. € vor. Im Vergleich zum vorläufigen Erfolg 2019 wird also mit einem Anstieg um 10,2% (113,6 Mio. €) gerechnet. Diese Erhöhung wird insbesondere auf die erstmalige Dotierung der Partnerleistung zur Krankenversicherung der Selbstständigen (100 Mio. €) zurückgeführt.

Die höchsten Ausgabenposten sind für den Bereich Gesundheitsfinanzierung (1,1 Mrd. €) vorgesehen; darunter fallen die Krankenanstaltenfinanzierung, die Leistungen an die Sozialversicherung und die Abgeltung des Mehraufwands durch FLAF-Zahlungen. Mit der Gesundheitsreform 2013 einigten sich Bund, Länder und Sozialversicherung darauf, ein Zielsteuerungssystem zur Planung, Organisation und Finanzierung der österreichischen Gesundheitsversorgung einzurichten. Im Jahr 2017 erzielten Länder und Krankenversicherung eine Unterschreitung der Ausgabenobergrenze in der Höhe von 837 Mio. € (3,7%), die sich bis 2019 auf 492 Mio. € (2%) reduzieren wird. Die 22 Messgrößen bewegen sich mehrheitlich in die intendierte Richtung, heißt es in der Analyse des Budgetdienstes. In der Zielsteuerungsperiode 2017-2021 soll eine Reduktion des jährlichen Ausgabenwachstums von 3,6% (2017) auf 3,2% im Jahr 2021 erfolgen. (Fortsetzung Nationalrat) sue

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