Mayer: Digitalisierung braucht demokratische Gestaltung

Symposium des Bundesrats "Digitalisierung und Demokratie" über die Zukunft direkter demokratischer Beteiligung

Wien (PK) - Bereits seit drei Jahren befasst sich der österreichische Bundesrat intensiv mit den Auswirkungen, den Chancen und Gefahren des Digitalisierung für die Demokratie. In einem Symposium wurden die bisherigen Ergebnisse und künftige Herausforderungen der Digitalisierung für die Politik diskutiert. Grundlage dafür waren das vom Bundesrat herausgegebene Grünbuch "Digitalisierung und Demokratie" und die Beiträge von BürgerInnen, die auf der digitalen Plattform www.digidem.at eingebracht werden konnten. Dieser Diskussionsprozess werde noch weiter gehen, sagte der Bundesratspräsident Edgar Mayer, der zu dem Symposium eingeladen hatte. Im Anschluss an das Symposium sollen die Ergebnisse an den Zukunftsausschuss sowie an den Verfassungsausausschuss des Bundesrates weitergeleitet werden. Auf Basis dieser weiteren Beratungen werde der Bundesrat dann Anträge an den Nationalrat und die Bundesregierung formulieren, kündigte Mayer an.

Wissenschaftsminister Harald Mahrer nannte in seiner Begrüßungsrede unter anderem das Thema Datensouveränität als wichtige Aufgabe für die Politik. Mit der Frage, wie sehr das Internet und die neuen Medien die Rahmenbedingungen der Verbreitung von Informationen wie auch von Desinformationen verändert hat, befasste sich das erste Panel von ExpertInnen, die auch am Grünbuch mitgewirkt hatten. Die Vortragenden beleuchteten dabei vor allem Chancen und Gefahren für freie Meinungsbildung und demokratische Prozesse.

Bundesratspräsident Mayer: Politik kann nicht abseits stehen, wenn freie Meinungsbildung gefährdet ist

Die Macht der im Internet stattfindenden Meinungsbildung sei heute enorm, erklärte Bundesratspräsident Edgar Mayer in seiner Eröffnungsrede zum Symposium. Beunruhigend daran sei, dass diese Meinungsbildung dort auch gelenkt oder manipuliert werden kann, sei es durch Fake News oder automatisierte Postings. Das werfe ernste Fragen für die Demokratie auf, wie sich auch im aktuellen Wahlkampf gerade bestätige. Die Lösung dieser Probleme sei daher letztendlich auch eine Überlebensfrage für unsere Demokratie.

Nach Meinung mancher ExpertInnen sind wir bereits mitten in einem Informationskrieg, sagte Mayer. Hier können Politik und Gesellschaft nicht teilnahmslos abseits stehen. Vielmehr gelte es, aktiv einzugreifen, damit nicht am Ende die Demokratie als erstes Opfer des Informationskrieges zu betrauern sei, sagte Mayer. Der österreichische Bundesrat habe sich dieser wichtigen Aufgabe abseits von ideologischen oder parteiischen Interessen angenommen und auch die Öffentlichkeit eingeladen, sich an dieser Diskussion zu beteiligen. Über die digitale Plattform www.digidem.at wurden schon viele Kommentare in die Diskussion eingebracht, in denen Fragen wie die Auswirkung der Digitalisierung auf die politische und mediale Kommunikation oder das demokratiepolitisch besonders sensible Thema E-Voting angesprochen wurden. Mayer freute sich besonders darüber, dass der Nachweis gelungen sei, dass unter Einbindung der Öffentlichkeit auch hochwertige Diskussionen möglich ist. Ein gelenkter Umgang mit der Digitalisierung sei ein wichtiger Schritt für die Zukunft. Hier gehe es um die Erhaltung von Meinungsfreiheit, Transparenz und Fairness und damit um einen Schritt zur Erhaltung der Demokratie.

Bundesminister Mahrer: Digitale Demokratie braucht Datensouveränität der BürgerInnen

Wissenschaftsminister Harald Mahrer hob ausdrücklich das Engagements des Bundesrates hervor, wenn es darum geht, Debatten über gesellschaftlich relevante Themen anzustoßen. Die Frage, was die Digitalisierung für die Demokratien bedeuten, sei ein wichtiges Zukunftsthema. Die technologische Entwicklung erlaube einerseits die Ausweitung partizipatorischer Prozesse. Andererseits sei das kein Automatismus, sondern immer davon abhängig, wie Menschen mit den neuen digitalen Technologien umgehen. Eine der Debatten, die laut Mahrer viel intensiver geführt werden müsse, betrifft die Datensouveränität der BürgerInnen. Jede und jeder gebe im Internet ständig Daten von sich preis, die von Unternehmen gespeichert und ausgewertet werden. Die Diskussion darüber, wer welche Daten über wen sammelt und was damit geschieht, stelle daher eine große gesellschaftspolitische Herausforderung dar, sagte der Wissenschaftsminister. Sie berühre auch die Debatte über notwendige Erweiterungen des Grundrechtekatalogs. Mahrer rief zu einem offenen Diskurs über den digitalen Wandel auf, in den möglichst viele gesellschaftliche Gruppen, wie etwa AkteurInnen aus den sozialen Netzwerken, aber auch aus Kunst und Kultur, einbezogen werden sollten.

Veit Dengler: Neue Medien führen zu neuer Informationsunsicherheit

Medienexperte Veit Dengler verglich die gesellschaftlichen Auswirkungen des Internets mit der Kommunikationskrise, die der Buchdruck im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts auslöste. Auch heute entstehe durch eine vorhin unbekannte Fülle an verfügbaren Informationen, die sich gleichzeitig der Überprüfbarkeit entziehen, Informationsunsicherheit und eine "Derealisierung des politischen Diskurses". Das erzeuge einen vorübergehenden kollektiven Schwindelanfall, wie Dengler es formuliert. Früher hätten sich über lange Zeiträume bestimmte Regeln für den Umgang mit Informationen herausgebildet. Das Internet habe diese teilweise wieder außer Kraft gesetzt. Angesichts der gleichzeitig enorm gestiegenen Möglichkeiten zur Überwachung und Manipulation der WählerInnen könne man sich jedoch nicht darauf verlassen, dass das System sich wieder von selbst einpendelt. Dengler sieht die Gefahr, dass sich die Menschen einer neuen Tyrannei freiwillig unterwerfen. Gefordert seien daher Medienkompetenz und ein neues System der Machtverteilung und Machtkontrolle.

Paul Murschetz: Medienförderung bleibt wichtige demokratiepolitische Aufgabe des Staates

Paul Murschetz vom Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt ging unter dem Gesichtspunkt der Medienökonomie der Frage nach, was eine effektive staatliche Medienförderung leisten soll und kann. Sie müsse dort ansetzen, wo Marktmechanismen allein meist nicht greifen, um ein ausreichend differenziertes Medienangebot zu sichern, erklärte er. Medienförderung stelle damit eine eminente demokratie- und kulturpolitische Aufgabe und auch Verpflichtung des Staates dar, bei der es darum gehe, Medien- und Meinungsvielfalt und ein qualitativ anspruchsvolles Medienangebot zu stärken. Der digitale Wandel stellt jedoch auch den Medienmarkt vor völlig neue Herausforderungen. Kritisch bewertete Murschetz in diesem Zusammenhang das derzeitige Fördermodell in Österreich, das aus seiner Sicht nicht ausreicht, um ein effektives, faires und innovatives Medienökosystem sicherzustellen. Der österreichische Medienmarkt tendiere traditionell zu Oligopolen. Hier sei die Politik gefordert, auch eine grundsätzliche Neustrukturierung zu fördern. Moderne Medienförderung müsse daher über reine Presseförderung hinausgehen und auch digitale Medien einbeziehen. So sollten beispielsweise Blogger, unabhängige Medienprojekte oder partizipative Bürgermedien unterstützt werden, um demokratiepolitisch wichtige Diskurse zu fördern.

Wolf Schünemann: Soziale Medien verändern Wahlkämpfe

Wolf Schünemann von der Universität Hildesheim beleuchtete die Rolle von sozialen Medien in Wahlkampagnen. Welche Ausmaße der digitale Strukturwandel der Öffentlichkeit angenommen hat und welche neuen Mobilisierungsmöglichkeiten er bietet, habe sich bei Protestbewegungen und politischen Kampagnen schon vielfach gezeigt. Schünemann verwies auch darauf, dass gegenüber früheren hochgesteckten Erwartungen derzeit zunehmend die Zweifel an der Qualität der politischen Beteiligung und Auseinandersetzung via Internet in den Vordergrund getreten sind. Derzeit erfolge eine Neubewertung der Online-Kommunikation und ihrer Vor- und Nachteile, welche laut Schünemann eine ungefilterte Online-Kommunikation tendenziell infrage stellt. Er warnte in diesem Zusammenhang vor Hysterie und einer Überbewertung des Einflusses von Fake News oder Social Bots. Die Politik sollte aber sehr wohl ordnend eingreifen und den Betreibern der Social Media Vorgaben machen, die zu einem echten Wettbewerb führen.

Myriam Dunn Cavelty: Cybersicherheit muss auch Schutz der freien Meinungsbildung sein

Myriam Dunn Cavelty, vom Center for Security Studies an der ETH Zürich befasste sich unter dem Titel "Die Wahrheit stirbt zuerst" mit moderner Informationskriegsführung und den Gefahren der Verbreitung von Desinformationen. Cybersicherheit sei lange Zeit nur unter dem Gesichtspunkt der Sicherung von sensiblen Infrastrukturen vor Cyberattacken betrachtet worden. Erst in jüngster Zeit wurde man auf die Gefahr aufmerksam, dass staatliche Apparate auch versuchen können, die freie Meinungsbildung nicht nur in der eigenen Gesellschaft, sondern auch in anderen Ländern zu manipulieren. Diesen Aspekt müsse eine wirksame staatliche Cybersicherheitsstrategie beachten. Notwendig sei nicht nur ein sorgfältiger Umgang mit kritischen Daten und ein höheres Bewusstsein für Datensicherheit. Erforderlich seien auch Strategien zur Abwehr von Desinformationen, mit denen Akteure von außen versuchen, demokratische Prozesse und freie Meinungsbildung zu behindern.

Christian Swertz: Medienerziehung muss gesetzlich verankert werden

Die Erziehung des demokratischen Souveräns als zentrale Aufgabe der Medienbildung stellte Christian Swertz vom Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Das Internet eröffne Chancen der Partizipation und der persönlichen Entfaltung, damit Menschen ihren Platz in der Gesellschaft gestalten und letztlich ihre Aufgabe als Souverän eines demokratischen Staates wahrnehmen zu können. Für Swertz ergeben sich daher einige Empfehlungen an den Gesetzgeber. Mit Änderungen an bestehenden Gesetzen wäre es seiner Ansicht nach möglich, die passende Rahmenbedingungen zu schaffen, damit pädagogische Institutionen die wichtige Aufgabe der Medienbildung mit digitalen Medien betreiben können. Das betrifft den Kindergarten und die Schule ebenso wie Jugendarbeit und Erwachsenen- und Elternbildung. Wichtig sei es auch, Medienpädagogik auf universitärer Ebene zu verankern. (Fortsetzung Symposium Bundesrat) sox

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