Maskenpflicht im Parlament: Nationalrat diskutiert erneut über Bußgelder für Abgeordnete

Fristsetzungsanträge der Koalition für drei Corona-Gesetze mehrheitlich angenommen

Wien (PK) Die Diskussion um eine Verhängung von Bußgeldern für Abgeordnete, die sich nicht an die im Parlament geltende FFP2-Maskenpflicht halten, ging heute in die nächste Runde. Anlass dafür war die Erste Lesung eines Antrags der Koalitionsparteien auf Änderung der Geschäftsordnung im Nationalrat. Eine Annäherung zwischen den verschiedenen Standpunkten gab es nicht, angesichts ähnlicher Positionen von ÖVP, SPÖ und Grünen ist es aber nicht ausgeschlossen, dass die Initiative die notwendige Zweidrittelmehrheit erhält. Am Wort ist nun jedenfalls zunächst der Geschäftsordnungsausschuss. Zwei zur Diskussion stehende SPÖ-Anträge auf Änderung des Strafgesetzbuchs wurden dem Justizausschuss zugewiesen: Dabei geht es zum einen um die Ausdehnung der Wahrheitspflicht in Nationalratsausschüssen und zum anderen um ein Verbot von Konversionstherapien.

Mehrheitlich angenommen hat der Nationalrat Fristsetzungsanträge der Koalition. Damit sollen die Beratungen über drei Gesetzesinitiativen beschleunigt werden, die mit den am 19. Mai erfolgten Öffnungsschritten in Zusammenhang stehen. Dabei geht es etwa um die kostenlose Bereitstellung von Corona-Selbsttests für Tourismusbetriebe und Ausdrucke aus dem Elektronischen Impfpass durch ÄrztInnen und Apotheken. Zudem sollen das Epidemiegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz neuerlich novelliert werden. Details dazu stehen allerdings noch nicht fest. Aufgrund der dem Gesundheitsausschuss zur Vorberatung gesetzten Frist mit 24. Mai ist sichergestellt, dass die Gesetzesvorlagen auf die Tagesordnung der für 26. Mai anberaumten Nationalrats-Sondersitzung kommen.

Maskenverweigerer sollen bis zu 500 € Ordnungsgeld zahlen

Gemäß dem Antrag der Koalitionsparteien (1550/A) sollen MandatarInnen, die sich trotz eines Ordnungsrufs weigern, im Plenum oder bei Ausschussberatungen eine Maske zu tragen, mit einem Ordnungsgeld von bis zu 500 € belegt werden können, befristet bis Jahresende 2021. Dieses Anliegen wurde heute von den Abgeordneten Klaus Lindinger (ÖVP) und Georg Bürstmayr (Grüne) unterstrichen. Die Corona-Pandemie erfordere größte Disziplin von allen, sagte Lindinger, diese Disziplin sei damit auch von allen Abgeordneten zu erwarten. Mit dem Ignorieren der Maskenpflicht gefährde die FPÖ KollegInnen und MitarbeiterInnen. Lindinger würde persönlich noch weitergehen, wie er erklärte, und auch bei anderen Ordnungsrufen Ordnungsgeld vorsehen.

Letztendlich gehe es um den Schutz von ArbeitnehmerInnen im Plenarsaal, betonte auch Bürstmayr. Es sei seit Jahren wissenschaftlich erwiesen, dass Viren, die über Aerosole verbreitet werden, durch Masken besser zurückgehalten werden. Zudem gelte es, die Funktionsfähigkeit des Parlaments auch im Falle eines wieder erhöhten Infektionsgeschehens aufrechtzuerhalten. Das Tragen einer Maske sei keine Einschränkung des freien Worts im Parlament, hielt Bürstmayr insbesondere der FPÖ entgegen.

Ähnlich argumentierte auch SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried. Die Maskenpflicht schränke weder das freie Mandat noch das passive Wahlrecht ein, machte er geltend. Zudem müssten für Abgeordnete die dieselben Regeln gelten wie für BürgerInnen. Leichtfried bedauerte allerdings, dass die Koalition nicht den Vorschlag der SPÖ nach einem eigenen Verfassungsgesetz aufgegriffen habe. Hätte sie das getan, wäre die Geldbußen-Regelung schon jetzt gültig.

Seitens der FPÖ verwahrte sich Susanne Fürst gegen den Vorwurf, dass die FPÖ-Abgeordneten „rücksichtslose Gesellen“ seien. Sie glaubt, dass der wiederkehrende Verweis auf Beschwerden von MitarbeiterInnen eine reine Erfindung ist, ihre Recherchen hätten jedenfalls das Gegenteil ergeben. Die Beschäftigten, die oft viele Stunden im Plenarsaal Masken tragen müssten, würden diese sofort ablegen, wenn sie dürften. Fürst warf den anderen Fraktionen zudem vor, „scheinheilig“ zu agieren und die Masken bei ausgeschalteter Kamera und in den Klubräumlichkeiten ebenfalls abzunehmen.

Fürst selbst hält die in vielen Bereichen geltende Maskenpflicht grundsätzlich für unrechtmäßig. Die Regierung sei die Evidenz des Nutzens bisher jedenfalls schuldig geblieben, hielt sie fest. Deshalb habe der Verfassungsgerichtshof die Pflicht auch schon zweimal für bestimmte Bereiche aufgehoben. „Weg mit dieser Maske und freie Luft für unsere Bürger“, stimmte auch ihre Fraktionskollegin Dagmar Belakowitsch in den Kritikerreigen ein.

SPÖ will Wahrheitspflicht auf weitere Kontrollausschüsse ausdehnen

Im Justizausschuss weiterberaten wird ein Antrag der SPÖ (1568/A), der darauf abzielt, die derzeit in Untersuchungsausschüssen des Nationalrats geltende Wahrheitspflicht auf den Rechnungshofausschuss und den ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses auszudehnen. Konkret wird vorgeschlagen, die einschlägigen Strafbestimmungen im Strafgesetzbuch dementsprechend zu ändern.

Begründet wird der Antrag damit, dass sich der Rechnungshofausschuss und dessen ständiger Unterausschuss zu wichtigen parlamentarischen Kontrollinstrumenten entwickelt hätten. Eine Wahrheitspflicht in diesen Ausschüssen würde nach Meinung der SPÖ die Wirksamkeit der Kontrolltätigkeit erhöhen, die Aufklärung untersuchter Sachverhalte erleichtern und Korruption entgegenwirken. Ohne die Wahrheitspflicht im Untersuchungsausschuss wäre nicht einmal die Hälfte dessen herausgekommen, was die Öffentlichkeit jetzt wisse, bekräftigte Jörg Leichtfried im Plenum.

Unterstützung erhielt Leichtfried von FPÖ-Abgeordnetem Christian Ries. Die Wahrheitspflicht habe eine große Bedeutung, meinte er.

Auch die Grünen zeigen sich einer Ausweitung der Wahrheitspflicht nicht abgeneigt, wie David Stögmüller zu verstehen gab. Er sieht allerdings noch einige offene Fragen, etwa was die Wahrung der Rechte von Auskunftspersonen betrifft. Schließlich gebe es im Untersuchungsausschuss einen Verfahrensanwalt und einen Verfahrensrichter, die in den anderen Ausschüssen fehlten. Zudem könnten MinisterInnen in den Ausschüssen Fragen an MitarbeiterInnen weitergeben. Keinesfalls verhandelbar ist für Stögmüller die Wahrheitspflicht im Untersuchungsausschuss: Diese sei ein Eckpfeiler der Verfahrensordnung, bekräftigte er.

Ebenfalls noch offene Punkte sieht Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS). Für ihn lautet die zentrale Frage außerdem, warum man überhaupt über das Thema Wahrheitspflicht diskutieren müsse. Was mache das für ein Bild in der Bevölkerung, wenn man das Gefühl habe, dass PolitikerInnen im Parlament nicht die Wahrheit sagen, meinte er. Ohne dieses Gefühl müsste man nicht über die Wahrheitspflicht diskutieren. Das sollte den Abgeordneten zu denken geben, so Hoyos-Trauttmansdorff.

Seitens der ÖVP verglich Johanna Jachs die Politik mit einem Fußballspiel zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien. Manche Abgeordnete hätten die Regeln vergessen und wollten nun das nächste Foul vorbereiten, meinte sie. Sie glaubt, dass mit dem vorliegenden Antrag nur eine Grundlage für neue Anzeigen geschaffen werden soll. „Ihr bekommt heute von mir die gelbe Karte, damit ihr euch für die restliche Spielzeit wieder auf Fair Play besinnt“, erklärte sie.

Verbot von Konversions- und Reparativ-Therapien

Ebenfalls dem Justizausschuss zugewiesen wurde ein weiterer Antrag der SPÖ (1523/A), der zum Ziel hat, Konversions- und Reparativ-Therapien gesetzlich zu verbieten. Solche Versuche, die sexuelle Orientierung von Menschen durch Therapiebehandlungen zu verändern, würden von internationalen und österreichischen Organisationen und Berufsverbänden seit Langem abgelehnt, argumentieren Mario Lindner und seine FraktionskollegInnen. Sie fordern in diesem Sinn die Einführung eines eigenen Straftatbestands und plädieren konkret dafür, Konversionsbehandlungen an unter 18-Jährigen mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu ahnden. Gleiches soll für entsprechende Therapien für ältere Personen gelten, deren Einwilligung auf einem Willensmangel beruht.

In der Debatte wies Lindner auf eine einstimmige Entschließung des Nationalrats aus dem Jahr 2019 hin. Bis heute fehle aber das, was damals gefordert wurde: ein gesetzliches Verbot von Konversions-Therapien, betonte er. Vielmehr würden solche Therapien weiter stattfinden, wie Erfahrungsberichte von Jugendlichen zeigten. Der Vorschlag der SPÖ orientiert sich laut Lindner an der deutschen Regelung, die vor einem Jahr beschlossen wurde.

Auch Yannick Shetty (NEOS) bedauerte, dass seit dem einstimmigen Beschluss im Plenum nichts passiert sei. Die häufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen sei Suizid und die Suizidrate sei bei LGBT-Jugendlichen fünfmal so hoch wie bei heterosexuellen Jugendlichen, gab er zu bedenken. Auch Shetty sieht die deutsche Regelung als Vorbild.

Maria Smodics-Neumann (ÖVP) wies darauf hin, dass nach der Entschließung des Nationalrats sowohl FachexpertInnen als auch das Gesundheitsministerium die geltende Rechtslage geprüft und für ausreichend befunden hätten. Der vorliegende Antrag bietet ihr zufolge aber die Gelegenheit, sich die Problematik noch einmal anzuschauen.

Ausdrücklich für den Vorstoß der SPÖ bedankte sich Grün-Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic. Zwar sei es eingetragenen PsychotherapeutInnen verboten, Konversionstherapien durchführen, in der Praxis würden „Pseudotherapien“ aber dennoch durchgeführt, da man etwa gegenüber Vereinen, Freikirchen oder religiösen Organisationen keine Handhabe habe. Die betroffenen Jugendlichen werden durch Therapien noch mehr traumatisiert und krank gemacht, so Dziedzic. (Fortsetzung Nationalrat) gs

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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